Auf der Alster


Schnee in Hamburg, das kann man öfter mal erleben. Aber eine zugefrorene Alster? Das ist eher selten und könnte bei ausreichender Eisdecke zu einem Volksfest werden.

Die Hamburger Innenhörde lässt also zweimal täglich die Eisdicke messen. Hunderte von Händlern, Schaustellern und Hobbyglühweinverkäufern hängen vorm Radio und warten auf den Startschuss. Und dann geht es los: Die Behörde gibt die Alster frei und in Windeseile ziehen Legionen von Menschen in die Innenstadt.

Das Ganze ist völlig chaotisch und unorganisiert - und hat deshalb auch sehr viel Charme. Durch die Unplanbarkeit des Ereignisses können so gut wie keine Vorbereitungen, wie sie sonst bei Großveranstaltungen üblich sind, getroffen werden.

Alle angrenzenden Straßen sind verstopft. Die Händler stehen kreativ parkend um die Alster herum und schleppen ihre Zelte und Büdchen auf das Eis. Aufgebaut wird, wo Platz ist. Wie von selbst bilden sich Budenstraßen und Wagenburgen.
Pro forma laufen auch Behördenprüfer und Polizisten durch das Gewusel. Geprüft und verboten wird aber nichts. Ein Aufschrei wäre die Folge :-).

Kleiner Exkurs für Ortsfremde: Die Alster ist eigentlich ein kleiner Fluß. Vor Jahrhunderten schon haben Hamburger Müller diesen Fluß aufgestaut, um ihre Mühlen betreiben zu können. So ist aus dem besseren Bächlein ein Riesensee mitten in der Stadt geworden, der größer ist als bespielsweise das Fürstentum Monaco. Im Sommer wird dort gesegelt und fast das ganze Jahr über fährt die "weiße Flotte" mit Barkassen Touristen spazieren.

Was für ein grandioses Gelände für ein Volksfest! Wenn sie denn zugefroren ist, die Alster. Weit verstreut liegen die Ansammlungen der Buden. Es ist ja genügend Platz vorhanden. Als Besucher hat man schon einen richtigen Gewaltmarsch vor sich, wenn man überall hinwill und alles sehen möchte. Am Alsterufer schieben sich indessen die Völkerwanderungen der Schaulustigen entlang. Nicht jeder traut sich auf das Eis hinaus :-).

Überhaupt hat man es als Gast nicht leicht. Es gibt keine Gelegenheiten, sich mal zu setzen zwischendurch - entweder man läuft oder man bleibt an einem Stand stehen. Und: es gibt auch keine Möglichkeiten, den reichlich genossenen Glühwein wieder loszuwerden. Wie gesagt: keine Vorschriften, keine Organisation....

Für Männer ist das alles nicht ganz so schlimm. Die stellen sich am Ufer an einen Baum und lassen es laufen. Frauen sind da doch meist gehemmter. Und wenn der Nachmittag sich dem Ende zuneigt, kann das geschulte Auge wahre Feste feiern... Ein paar meiner Beobachtungen erzähle ich hier gern.

Eine Gruppe ganz junger Mädels fiel mir auf. Zunächst liefen die sechs noch nebeneinander untergehakt über den See. Dann aber stellten sie sich zusammen und tuschelten. Eine Kleine in Jeans und blauer Thermojacke trippelte unruhig hin und her. Suchend sah sie sich um. Keine Dixies, kein Toilettenwagen. Eine ihrer Freundinnen stand mit gekreuzten Beinen neben ihr und ließ ebenfalls den Blick verzweifelt über das Gelände schweifen. Nichts zu machen. Am Ufer Schaulustige. Auf dem See kein geschütztes Plätzchen, wo man mal kurz ungesehen... Die Mädels wippten vor sich hin. Schließlich wandte sich die Kleine der Gruppe zu. Von hinten sah ich, wie sie im Schutz des Pulks die Hand zwischen ihre Schenkel schob. Allerhöchste Not also! Wieder wurde Kriegsrat gehalten. Endlich schienen sie sich geeinigt zu haben. Die Mädchen bildeten mitten auf der Alster einen engen Kreis und die Kleine verschwand in der Mitte und hockte sich hin.. Die Idee war gut. Ich konnte wirklich nichts erkennen, obwohl ich nur ca. 5 Meter entfernt stand. Nach einer ganzen Weile richtete sie sich wieder auf - und die nächste nahm ihren Platz ein. So ging es reihum, bis alle ihre randvollen Blasen leergestrullt hatten :-).

Nach diesem Pinkelevent trollten sich die jungen Damen betont unauffällig wieder Richtung Buden - und ich ging zum Ort des Geschehens. Ein riesiger hellgelber Fleck war im Schnee, hatte diesen in der Mitte aufgeschmolzen und das Eis freigelegt. Über dem Eis befand sich ein kleiner dampfender See :-). Ich hatte inzwischen auch schon einen soliden Druck auf der Blase und hätte mich am allerliebsten ebenfalls dort hingehockt. Aber mangels Sichtschutz ließ ich es dann doch.

So machte ich mich von der Mitte der Alster Richtung Ufer auf. Als ich durch eine der Budenstraßen ging, wurde ich wieder Zeuge einer Verzweiflungstat. Vor einem Stand mit Flohmarktartikeln unterhielten sich zwei gutgekleidete Frauen drängend leise mit dem Standbesitzer. Klar, dass ich mich danebenstellte und die Ohren spitzte. "...und was mach ich jetzt?" jammerte die eine. "Wir sind schon den ganzen Tag hier und ich halt es gleich nicht mehr aus!" Sie stand leicht vorneübergebeugt und hatte ein Bein hochgezogen. "Was machen SIE denn, wenn sie mal zur Toilette wollen?" fragte die andere den Standmenschen. Der grinste und meinte nur "Ich hab hier einen Eimer stehen" und wies auf eine sichtgeschützte Stelle hinter dem Stand, wo zwei Kleiderstangen zusammengeschoben waren. Der Eimer musste sich dazwischen befinden. "Oh, bitte, darf ich den Eimer mal benutzen!?" flehte die erste. "Ich auch...?!" fragte die andere mit bittendem Gesichtsausdruck. Der Händler tat so, als müsste er darüber nachdenken. Ich war sicher, dass er die Situation voll auskostete.

Beide Frauen konnten kaum noch anhalten. "Ich zahl Ihnen auch was!!" drängte die erste und begann mit der einen Hand in der Manteltasche herumzuwühlen. Die andere, den rettenden Eimer in Sichtweite, verlor die Beherrschung. "Ich kann nicht mehr.." winselte sie und stürzte an dem Mann vorbei hinter den Standtisch zwischen die Kleiderstangen. Gedämpft war ihr "Ohhhh...oh..." zu vernehmen, als sie die Hose herunterzog. Dann war ein scharfes Zischen zu hören... plätschernd kam der Strahl auf dem Eimerboden an und erzeugte dort ein dumpfes Trommeln.
Die andere Frau hatte einen Geldschein gefunden und hielt ihn dem Händler hin. Der nahm ihn und verstaute ihn genüsslich in seinem Portemonnaie. Sie trat von einem Fuß auf den anderen und sah verzagt in Richtung Kleiderstangen. "Mach zu, Ivonne!!! Es geht mir gleich in die Hose..!" trieb sie ihre Freundin an. Diese beeilte sich auch und die Frauen tauschten die Plätze.

Auch die zweite musste Riesendruck gehabt haben, denn sie stöhnte vor Erleichterung beim Pissen und auch ihr Strahl kam kräftig und traf geräuschvoll auf die Flüssigkeit im Eimer. Nach einer langen Weile erschien sie wieder hinter den Stangen. Als hätten beide jetzt noch einen eiligen Termin, verschwanden sie mit schnellen Schritt, grußlos, ohne den Händler noch eines Blickes zu würdigen. Dieser lächelte in sich hinein.
Ursprünglich hatte ich vor gehabt, ihn ebenfalls zu bitten, aber irgendetwas an seinem Habitus gefiel mir nicht. Ich mag es nicht, gedemütigt zu werden. Und so nahm ich mich zusammen und ging weiter Richtung Ufer.

Als ich den Hang zur Straße hochkletterte, wurde meine Beherrschung auf eine harte Probe gestellt. Kraxeln mit schmerzhaft voller Blase ist nicht so ganz einfach, wenn man um jeden Preis verhindern will, dass etwas ins Höschen geht. Aber es gelang. Oben angekommen, holte ich tief Luft und kreuzte erstmal die Schenkel.
Ich stand am Ballindamm, einer Hauptverkehrsstraße. Gleichmäßig rauschten die Autos vorbei. Keine Lücke lassend. Ich musste zum Fußgängerüberweg. Die 300 Meter trippelte ich mehr, als ich ging.

Endlich war ich auf der anderen Straßenseite angekommen. Und dort war auch gleich ein Restaurant, in dem ich bekannt war. Ich flog geradezu die sechs Stufen hinauf. Geschlossen! Der Laden machte erst in einer halben Stunde auf. Verzweifelt klopfte ich an die Glastür. Drinnen war schon Licht, es musste jemand da sein.
Schließlich wurden meine stillen Wünsche erhört. Giovanni, ein älterer Kellner, der mich mag, kam herbeigeschlurft. Er begrüßte mich durch die Scheibe und singalisierte, dass er den Schlüssel holen würde.
Während er wieder ins Innere des Lokals zurückschlich, spürte ich, wie sich bohrend und unaufhaltsam der Harn sich seinen Weg bahnte... Nun war mir alles egal.
Als Giovanni endlich aufschloss, hatte ich schon die Hand zwischen den Beinen. Er sah es und trat zur Seite, um mir nicht im Weg zu stehen. Ich wetzte durch das Restaurant zu den Toiletten. Noch während ich lief, merkte ich, wie meine Finger feucht wurden.

Ich stieß die Tür zum Damenklo auf.. und es kam.. es kam.. Breitbeinig stand ich da und strullte.. Mein Höschen wurde nass... Auf den Fliesen breitete sich ein See aus, der schließlich in ein Siel lief. Ich zog den Slip aus und wusch mich (und das Höschen). Letzteres verstaute ich in der Manteltasche.
Aus der Toilette zurückgekehrt, setzte ich mich an einen Tisch und bestellte erstmal einen Espresso. Giovanni brachte ihn mit unbeteiligtem Gesicht. An dieser Stelle: Der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Kellner offenbart sich in diesen Kleinigkeiten...

In der folgenden Stunde konnte ich nicht weniger als 10 Frauen beobachten, die hektisch in den Laden stürzten, und ohne weiteres Federlesen zur Toilette rannten :-).

Mal sehen, ob diesen Winter die Alster wieder zufriert. Ich werde dort sein.

:-)))


Copyright for all contents: feuercaro (Author)

Alle Inhalte dieser Seite sind urheberrechtlich geschützt.
Unerlaubtes Kopieren und Vervielfältigen werden strafrechtlich verfolgt!