Landkommune "Rote Scholle"


Es war Aufbruchzeit im Wendland.

Anti-AKW-Demos jagten einander, Gruppen von politisch aktiven Stadtmenschen zogen aufs Land. In Resthöfe, aufgegeben von Bauernfamilien, deren Nachwuchs das Glück in den Städten gesucht hatte.

Und da saßen sie nun, von Landwirtschaft keine Ahnung, aber guten Willens, durch Fleiß und Beharrlichkeit jeden Quadratmeter Boden zu erobern - um ihn auch verteidigen zu können. Gegen die Atompolitik, die Konzerne, das System.

Andrea war eines Tages am Hoftor aufgetaucht, zwei Reisetaschen in der Hand. Die Adresse hatte sie von einem WG-Bewohner in Hamburg bekommen. Die Telefonnummer stimmte nicht, und bei der Auskunft konnte niemand etwas mit den Angaben "Landkommune Rote Scholle in der Göhrde" anfangen.
Also war sie bis Lüneburg mit der Bahn gefahren und dann per Anhalter bis Bevensen.
Ihr letzter Fahrer, ein gutmütiger Bauer aus Himbergen, wusste, wo sie hinwollte. "Ach, die Kommune! Jo, mien Deern, da fährt nix hin. Da bring ich dich mal lang."

Die Bewohner empfingen sie freundlich, aber abwartend. "Warum bist du hergekommen?" wurde sie gefragt. Andrea, die sich geschworen hatte, ein neues Leben anzufangen, fern von ihren spießigen Eltern, von der Stadt, blieb vorsichtshalber bei der Wahrheit. "Ich hab die Schule fertig und keinen Bock auf Uni. Das ist alles so vorherbestimmt. Ich wüsste auch nicht, was ich studieren sollte. Außerdem bin ich für den politischen Widerstand und will nicht nur labern. Ich will was tun! Ich kann arbeiten. Ich WILL arbeiten!" Das war das Zauberwort. Eine halbe Stunde später hatte sie eine kleine Kammer mit einem Bett darin. In der riesigen Küche gab es Kakao und Käsebrot und abends durfte sie an der "Sitzung" teilnehmen, die täglich im Gemeinschaftsraum abgehalten wurde.

In dem gewaltigen Reetdachbau lebten 15 Menschen. 12 Hektar Land war zu bewirtschaften, 12 Schweine, 3 Kühe, unzählige Hühner, Enten und Gänse waren zu versorgen. Die Arbeit wurde nach einem komplizierten Listensystem verteilt. Jeder musste irgendwann alles machen. Ein kleiner, dunkelhaariger Typ, mit Namen Wolfi, verteilte die Aufgaben. Andrea bekam erstmal Hausdienst. Als er aber sagte: "Freiwillige für das Stallausmisten gesucht" flog ihr Arm hoch. Wolfi lächelte und meinte: "Ok, das heißt für dich, du musst das morgens um sechs anfangen. Vor 10 bist du nicht fertig. Und dann noch Hausdienst. Na gut..."
Andrea strahlte. So hatte sie sich das vorgestellt.

Die folgenden Wochen schuftete sie bis an den Rand des Zusammenbruches. Sie lernte, mit den Tieren umzugehen, keine Angst mehr vor den Kühen zu haben, den Trecker zu fahren, die Hügelbeete zu pflegen.
Abends klebte sie Pflaster auf die Blasen an ihren Händen und kroch unter die ewig klamme Bettdecke. Sie war viel zu müde, um an den gemütlichen Runden im großen Wohnsaal teilzunehmen, wo die anderen sich bei Wein und Kuchen ein paar nette Stunden machten.
Aber ihr Dasein hatte Sinn. Sie wusste, dass sie endlich für eine gute Sache lebte. Und: alle waren nett zu ihr. Sie bekam bei Tisch ihren festen Platz und einmal in der Woche Taschengeld, das sie eisern sparte.

So verging der Sommer, der Herbst kam und mit dem Herbst der Regen. Die Landschaft versank im Schlamm. Die Felder waren abgeerntet, nur noch die Tiere mussten versorgt werden... Andrea aber suchte sich weiter Arbeit im Hof. Während die anderen es ruhig angehen ließen, mal länger schliefen oder auch mal einen Tag gar nichts taten, schrubbte sie die Dielen, putzte Fenster und nahm sich vor, die Remise, die als Abstellraum diente, aufzuräumen.

Die Remise lag recht weit entfernt vom Hauptgebäude und war ursprünglich ein Mittelding zwischen Pferdestall und Kutschhaus gewesen. Inzwischen wurde sie als Lagerort für kaputte Möbel und Hinterlassenschaften ausgezogener Bewohner genutzt. Achtlos übereinander gepfeffert, lag ein Haufen zukünftiges Brennholz brach :-). Andrea bewaffnete sich mit Axt, Beil und zwei Literthermoskannen Tee und stapfte durch den Nieselregen hinüber. Der Weg war lang...
Gegen die Kälte war sie gut gerüstet: Unter der Drillichhose hatte sie Leggins an und zwei Paar dicke Wollsocken, die der nette Bernd ihr geliehen hatte. Sie war damit kaum in die grünen Gummistiefel gekommen. Obenrum trug sie zwei Männerpullis und darüber einen wattierten Anorak. Arbeitshandschuhe und ein Schal vervollständigten das Bild.

Methodisch begann sie, alte Stühle und IKEA-Kommoden zu zerhacken. Das gewonnene Brennholz wurde ordentlich aufgestapelt. Nach drei Stunden war sie warm gearbeitet und freute sich über ihren Erfolg. Die Remise sah schon viel besser aus... Gegen Mittag aß sie die mitgebrachten Brote und überlegte kurz, zum Haupthaus zurückzukehren; der Tee fing an, zu drücken. Aber es regnete immer stärker und Andrea beschloss, lieber rüber zum alten Klohäuschen zu gehen, wenn es denn zu dringend würde. Das Häuschen lag etwa 50 Meter weit weg und das war viel kürzer, als der lange Marsch zum Hof.

Verbissen machte sie weiter. Nach einer Weile spürte sie ihre Blase bei jeder Bewegung. Sie sah hoffnungsvoll zum Tor raus, vielleicht war der Regen ja schwächer geworden. Draußen aber rauschte es. Wahre Wasserwände kamen von oben herab. Andrea konnte sich nicht erinnern, so einen Regen schon mal gesehen zu haben. Es toste und man konnte kaum zehn Meter weit sehen. In gewaltigen Güssen brauste das Wasser zur Erde. Dicke Tropfen zersprangen auf dem Boden, bildeten dort erst große Blasen, dann Rinnsale und kleine Bäche. Bald lag das gesamte Gelände unter einer Wasserschicht - fast sah es wie ein Meer aus.

Und da sollte sie hinaus? Aber es half nichts. Andrea stand am Tor und trat von einem Bein aufs andere. Sie hatte schon viel zu lange gewartet, um noch ruhig überlegen zu können. Entschlossen zog sie die Kapuze über ihren Kopf. "Ich muss mal..ich MUSS mal..." flüsterte sie. Dann wagte sie es.

Ihre Gummstiefel versanken bis zu den Knöcheln im Schlamm. Sie kam kaum vorwärts. Mit aller Kraft zog Andrea die Füße aus dem nassen Boden. Schmatzend schlossen sich die Schlammlöcher wieder. Schritt für Schritt kämpfte sie sich voran. Der Regen hatte sie bis bis auf die Haut durchnässt. Und sie musste.. MUSSTE so nötig! Noch dreißig Meter, schätzte sie. Wieder setzte sie den rechten Fuß vor. Diesmal versank ihr Bein bis zur Wadenmitte. Andrea versuchte verzweifelt, sich zu befreien. Aber der saugende Schlamm hielt den Stiefel fest. Wegen der dicken Socken konnte sie noch nicht mal den Fuß aus dem Gummistiefel ziehen.

Sie fühlte, wie ihre berstend volle Blase sich zusammenzog. Eine Welle von Pissdrang durchflutete sie. Andrea griff sich in den Schritt und kniff mit aller Kraft die Schenkel zusammen. Nach einer Weile wagte sie es, die Hand wieder zwischen ihren Beinen hervorzuziehen. Vorsichtig bückte sie sich und ergriff mit beiden Händen den oberen Rand des Gummistiefels. Das Bücken war fast zuviel für ihre Blase. Sie zog mit aller Gewalt, aber der Stiefel steckte fest.

Inzwischen war auch der zweite Fuß tief eingesunken.
Andrea bekam Gänsehaut. Ihr wurde nun auch noch kalt. Der Regen rauschte unvermindert. Bei der nächsten Welle fuhr sie sich mit beiden Händen zwischen die Schenkel. "Oohhh...nein.." jammerte sie. Hilflos spürte sie, wie es kam. Sie zog ihre Muskeln zusammen, aber sie konnte nun wirklich nicht mehr anhalten. Heiß ergoß es sich in ihre Leggings, lief durch die Arbeitshose und dann die Innenseiten der Beine entlang... direkt in die Stiefel hinein. Sie fühlte ihre kalten Füße warm werden. Geschlagen richtete sie sich auf, ihre Arme hingen ihr am Körper herab, die ganze Anspannung wich.. nur unendliche Erleichterung blieb zurück. Und die nasse Wärme zwischen ihren Beinen, die sie erregte und verwirrte...

Wie in einer Hollywood-Inszenierung hörte der Regen fast schlagartig auf.
Andrea konnte erkennen, dass sie nur noch 10 Meter von Häuschen entfernt stand. Sie hatte keinen trockenen Faden mehr am Leib, das tröstete sie etwas. So würde niemand bemerken, dass sie sich in die Hose gepisst hatte. Erneut versuchte sie, sich zu befreien, aber es war aussichtslos. Andrea begann zu rufen: "Hilfe!!!!! Kann mal einer kommen!!!??!" Endlich wurde sie erhört. Bernd kam aus der Ferne auf sie zugelaufen, blieb aber einige Meter von ihr entfernt stehen und meinte: "Ach Scheiße! Das hätt man dir ja auch sagen können! Bei so einem Regen kann man hier nicht mehr lang, da ist in der Mitte das Schlamm-Bermuda-Dreieck. Ich hol mal Bretter!"

Nach einer Weile kam er tatsächlich mit zwei langen Brettern zurück und legte sie über den Modder. Mit Bernds Hilfe gelang es schließlich. Andrea kam frei. Bernd stützte sie, als sie ins Haupthaus zurückgingen. "Du bist ja ganz durchgefroren. Wie lange hast du denn da gestanden? Egal, du musst aus den Klamotten raus und dann in die heiße Wanne."
Als sie ankamen, rief Bernd die anderen und verteilte Aufgaben: "Ille, heiz mal den Badeofen an, aber schnell. Ulf, du holst Ille das Holz dafür, beeil dich! Wolfi, koch mal fix ne Kanne Tee! Unsere Kleine holt sich sonst noch den Tod!" Zu Andreas Überraschung liefen die so Angesprochenen sofort los und taten, wie ihnen geheißen. Bernd ging mit Andrea in die Diele und half ihr, die nassen Sachen auszuziehen. "Deine Klamotten häng ich mal über die Leine zum Trocknen... übermorgen kannst sie wieder anziehen." Andrea wurde sehr rot. "Ähh..... also die Hosen und die Socken müssen gewaschen werden..."

Bernd sah sie lange an. Sie stand in nasser Unterwäsche vor ihm. Blitzschnell ging er in die Hocke und vergrub seine Nase zwischen ihren Schenkeln. Sie stand starr vor Schreck. Bernd hob den Kopf und lächelte sie an "Ach sooo.... Du wolltest gerade auf das Häuschen und hast es nicht mehr geschafft.. Na, haben wir dich AUCH mal bei einer Schwäche ertappt." Immer noch lächelnd zog er ihr Slip und Hemd aus. Ganz nackt und vor Kälte zitternd stand sie da. Bernd rieb seine Hände gegeneinander und rubbelte sie dann damit ab. Andrea merkte erstaunt, wie sehr ihr das gefiel. Warme Männerhände, die sie wärmten.... Ille kam rein und meinte grinsend "Badewasser ist fertig! Bernd, du kannst sie jetzt loslassen..!"

"Ooch, ich will aber eigentlich gar nicht.." grinste Bernd zurück, ging dann mit Andrea ins Badezimmer und half ihr in die Wanne. Das heiße Wasser war himmlisch. Andrea genoß das Bad in vollen Zügen und ließ es geschehen, dass Bernd ihr den Rücken abseifte, die Haare wusch und und ihr sanft schimpfend die Leviten las.

"Das hier ist kein Gulag. Das hier ist ne Landkommune. Wir wollen hier nicht nur was erreichen, wir wollen hier auch leben. Und zum Leben gehört auch Muße und Spaß. Du warst uns schon richtig unheimlich. Seit du hier bist, schuftest du wie besessen, ohne Pause. Dabei hast du dir deinen Platz doch schon lange doppelt und dreifach verdient."
Andrea kamen die Tränen.
"Ich wollte doch nur, dass ich hierbleiben kann. Es ist gut hier und ich will nicht wieder zurück. Und wenn ihr mich wieder wegschickt..."
"Dummfug!" Bernd schüttelte den Kopf. "Niemand schickt dich weg. Wir sind froh, dass du bei uns bist. Ich besonders. Aber wann hätt ich dir das denn sagen sollen? Wenn du abends immer schon um acht ins Bett gehst...."

Die beiden hatten sich noch allerhand zu erzählen.

Epilog:
Die Landkommune Rote Scholle gibt es wirklich.
Die Schreiberin dieser Zeilen hat dort einige Zeit gelebt und denkt oft liebevoll an die Menschen da zurück. Mögen die Götter auf sie herabsehen.


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