Niemand siegt am Millerntor


Der Wind pfiff schneidend. Isabell hatte zwar eine dicke Wollmütze, den guten Mohairschal und ihren langen Wintermantel an, trotzdem war die Haut ihrer Wangen fast taub vor Kälte.
Die behandschuhten Finger tief in die Manteltaschen vergraben, stapfte sie durch den hohen Schnee.
Die schwarzen Stiefel hielten ihre Füße nicht so warm, wie zu erwarten war und Isa versuchte, dies durch eine schnelle Gangart auszugleichen.

Vor einer guten Stunde war sie aufgebrochen.
Nach Wochen in Tränen schien ein langer Spaziergang angeraten und Isa war wild entschlossen, sich durch die Trennung von Gregor nicht gänzlich in Melancholie zu verlieren.

Überhaupt Gregor!
Es waren hitzige zweieinhalb Jahre gewesen. Wüste Streitereien hatten sich mit leidenschaftlichen Versöhnungen abgewechselt.

Beruflich dümpelte Gregor auf seiner Stelle als Teamleiter herum, immer die Karriere im Blick, den großen Aufstieg. Vor vier Monaten hatte man ihm dann einen neuen Abteilungsleiter vor die Nase gesetzt. Ausgerechnet auf den Posten, auf den er selber scharf gewesen war.
Isa war inzwischen weitergekommen. Ihre Chefin hatte ihr Talent erkannt und förderte sie nach Kräften. Eine Fortbildungsveranstaltung jagte die nächste. Gregor schäumte vor Zorn. "Ständig bist Du weg! Hier ne Woche, da ne Woche! Den Skiurlaub können wir uns auch abschminken, wegen Deiner Scheiß-Firma!" Er war wirklich unerträglich geworden.

Der Gipfel war erreicht, als er "versehentlich" wichtige Dateien aus dem gemeinsamen Computer gelöscht hatte. Dateien, die anzulegen Isa Monate gekostet hatte, und die sie unbedingt brauchte.
Da hatte es ihr gereicht. Die kleine Wohnung war schnell gefunden. Gregor verstand die Welt nicht mehr. "Du willst ausziehen? Dir ist Deine Karriere wichtiger als ich? Dann hau doch ab! Ist wohl auch besser so!"

Tief verletzt war sie gegangen.
Die neue Wohnung war ein Traum. Winzig, aber gemütlich, mitten im Karolinenviertel und bezahlbar war sie auch. Altbau eben. Isabell richtete sich ein, freute sich, dass ihr endlich niemand bei der Gestaltung dazwischenquatschte ("Meine auberginefarbene Ledergarnitur bleibt! Die war schweineteuer!") - das Leben hätte so schön sein können.

Aber Gregor fehlte ihr.
Die Trauer schlich sich in ihr Herz und blieb. Nachts weinte sie sich in den Schlaf und strich zärtlich über das leere Kopfkissen neben ihr. Sie vermisste seine Hände, die so sanft sein konnten und so grob. Seine Leidenschaft, das ungestüme Begehren - nie konnte er warten, immer musste er sie sofort haben, wenn ihm danach war. Am liebsten hätte er sie mit Haut und Haaren gefressen. Wie sie das geliebt hatte!

Und so hatte sie Abend für Abend voller Hoffnung den Briefkasten aufgeschlossen. Nichts! Kein Brief, keine Karte von ihm. Auch kein Text auf ihrem Anrufbeantworter. Ein paar Mal hatte sie ihn tagsüber zuhause angerufen, von unterwegs aus irgendeiner Telefonzelle - nur um seine Stimme zu hören: "Bin zur Zeit nicht zu Hause. Nachricht bitte nach dem Signalton".

Damit musste jetzt Schluss sein!
Isa hatte nach endlosen Grübeleien am Küchentisch entschieden, dass es nun reichte. Sie würde ein neues Leben anfangen, jawohl!
Eigentlich wollte sie sich an diesem Wochenende der weiteren Restauration der verlorenen Dateien widmen, änderte aber ihre Meinung. Sie brauchte frischen Wind, buchstäblich. Draußen tobte der Winter, immer noch - obwohl es auf Mitte März zuging. Gut so. Isa zog sich warm an und stiefelte aufs Geratewohl los.

Gedankenverloren ging sie die Feldstraße entlang. Es waren nur sehr wenige Leute unterwegs, bei diesem Wetter. Das Heiligengeistfeld war verlassen - noch Wochen bis zum Frühjahrsdom. Isa beschloss, über das Gelände zu laufen.
Sie merkte erst, dass sie Richtung Millerntorstadion gegangen war, als sie direkt vor dem Haupteingang stand.
Dieses Wochenende spielte Pauli auswärts - auch hier war alles wie ausgestorben.
Der Wind blies ihr händeweise Schnee ins Gesicht. Sie senkte den Kopf und wanderte am Stadionzaun entlang.

Im Sommer war sie mit Gregor hier gewesen. Isa in ihrem Baumwollkleid, braun mit kleinen weißen Blümchen. Sie hatte einen roten Lackledergürtel dazu getragen. Das perfekte Pauli-Outfit! Als Fan hatte sie einfach in den Vereinsfarben erscheinen müssen. Gregor war das nicht so wichtig gewesen. Er hatte sich gern über Isas "Nibelungentreue" zum 1. FC St. Pauli amüsiert. "Sieh es ein Isa: Die Jungs sind einfach zu schlecht für die erste Liga. Sogar für die zweite, wie man sieht." Sie hatte gelacht: "Jaja. Deshalb sind sie auch in beiden Ligen gewesen, weil sie zu schlecht waren, was? Gregor, Du hast keine Ahnung von Fußball. Pauli hat vielleicht nicht die dollsten Taktiker oder die besten Techniker, aber die KÄMPFEN! Und sie haben die allerbesten Fans!"
Und so hatten sie in der Gegengeraden gestanden, direkt unter dem Banner "Weltpokalsiegerbesieger", was dort nach dem legendär gewonnenen Spiel (2:1!) gegen die Bayern hing. Isa hatte aus vollem Hals gebrüllt: "NIEMAND SIEGT AM MILLERTOR!" als die gegnerische Mannschaft eingelaufen war. Gregor hatte zunächst gegrinst, dann mitgebrüllt...

In der Halbzeitpause hatte er Bier geholt, richtige Eimer voll. Isa hatte in langen Zügen getrunken, Schreien macht durstig. Die zweite Halbzeit war gerade 10 spannende Minuten in Gang gewesen, als Isa erschrocken gemerkt hatte, wie voll ihre Blase geworden war. Im Eifer des Anfeuerns hatte sie die ersten Anzeichen gar nicht wahrgenommen gehabt, aber jetzt hatte es keinen Zweifel mehr gegeben. Sie hatte pinkeln müssen, und zwar dringend. Isa hatte sich umgedreht. Sie stand ganz unten am Absperrgitter. Hinter ihr tausende von Fans, enggedrängt wie die Sardinen.
Keine Chance! Was machte sie nun bloß? Die Ausweglosigkeit der Situation hatte ihren Drang noch verstärkt. Sie hatte die Beine gekreuzt und überlegt, ob sie es bis zum Spielende schaffen könnte, aber eine mächtige Welle hatte sie eines Besseren belehrt. Isa hatte mit aller Kraft ihre Beckenbodenmuskeln angespannt, um die Fluten zurückzuhalten. Es war gelungen, aber sie hatte ihre prallvolle Blase gefühlt und gewusst, dass sie nur noch wenige Minuten gehabt hätte.
"Gregor. Gregor!" Hilfesuchend hatte sie ihn angesehen.
"Gregor, ich muss mal. Ganz ganz nötig!!"

"Jetzt?!" hatte er überflüssigerweise gefragt. Ihr Gesichtsausdruck hatte mehr als tausend Worte gesprochen. Gregor hatte kurz nachgedacht, dann war er hinter sie getreten, hatte ihre Taille mit einem Arm umfasst und seine andere Hand vorn zwischen ihre Beine gleiten lassen. "Isa, denk an Wattens, weißt Du noch? Der Balkon? Als Du auch nicht mehr anhalten konntest? Komm, lass es laufen, ich bin ja bei Dir. Das merkt schon keiner!" Er hatte begonnen, ihre prallen Lippen mit den Fingerkuppen zu massieren. Isa hatte sich in seinem Griff gewunden.
Sie konnte doch nicht mitten im Stadion, eingezwängt zwischen lauter fremden Männern, ins Höschen strullen!

Gregors Finger waren unerbittlich gewesen. Lust war in ihr hochgestiegen. Sie hatte gefühlt, wie er sanft über ihren steifen Kitzler gestreichelt hatte. Seine Stimme war ganz nah an ihrem Ohr gewesen "Komm schon, enstpann Dich. Du kannst ja schon fast nicht mehr. Ich merk das doch. Dein Slip wird ja schon feucht. Komm.. komm endlich.."
Er hatte sein Becken fest an ihren kleinen Hintern gedrückt und sie hatte seinen Harten zwischen ihren Backen reiben gespürt.

Isa hatte gewusst, wie richtig Gregor gelegen hatte. Ihr waren tatsächlich schon ein paar Spritzerchen entkommen und je höher diese Woge von Geilheit in ihr gewallt war, desto weniger hatte sie ihre Blase noch unter Kontrolle gehabt.
Schließlich hatte sie aufgeben müssen. Sweet surrender. Der erste Schwall war ihr in den Stoff gegangen und durch Gregors reibende Finger die Beine entlang gelaufen. Sie hatte ihn leise stöhnen gehört.

Unten auf dem Spielfeld war Pauli wieder mal heldenhaft am Verlieren gewesen. Etwas weiter oben hatte Isa verloren, oder doch nicht? Mittlerweile hatte sie es aufgegeben, noch irgendetwas zurückhalten zu wollen. Ein kräftiger Strom war ihre Beine entlang geplätschert, heiß und endlos. Gregor hatte jetzt seine ganze Hand zwischen ihre Schenkel versenkt und seine kräftige, begehrliche Massage noch weiter verstärkt, bis Isa endlich, endlich vor lauter Lust aufgestöhnt hatte. Als sie kurz vor dem erlösenden Höhepunkt gewesen war, hatte sie plötzlich an ihrem Hintern etwas anderes Heißes gespürt und gewusst, dass Gregor es nicht mehr hatte aushalten können. Es war ihm gekommen.
Das Spiel war zu Ende gewesen.

Im Getümmel der anderen Fans waren sie beide nicht weiter aufgefallen: niemand hatte auf Gregors Fleck auf der Hose oder auf Isas nasse Beine geachtet. Glückliche Zeiten waren das gewesen.

In diese Erinnerungen versunken, ging Isa weiter den Zaun entlang. Der kalte Wind hatte ihr einige Tränen aus den Augen getrieben. Oder war es gar nicht der Wind?
Blöde Idee, dieser Spaziergang. Hirn freipusten, ha! Isa hätte sich verfluchen können.
Denn wo war sie gelandet? Am Millerntor!
Jeder Platz der Stadt würde sie immer an Gregor erinnern. Vielleicht sollte sie doch nach Sao Paulo gehen, wie ihre Chefin letztens vorgeschlagen hatte. Nur für ein Jahr.

Isa stellte ärgerlich fest, dass die Gedanken an ihr kleines Pinkel-Abenteuer im Stadion sehr anregend gewirkt hatten. Sie musste zwar schon eine ganze Weile, aber nun war es wirklich sehr dringend geworden.
Nun war das kein Problem. Zwar gab es keine öffentlichen Toiletten in der Nähe die offen waren, aber das Stadiongelände war menschenleer und durch das Schneegestöber konnte eh niemand weiter als fünf Meter sehen.
Sie würde sich einfach irgendwo am Zaun hinhocken.

Gerade, als sie einen günstigen Platz suchte, möglichst etwas windgeschützt, hörte sie die Schritte.
Männerschritte im Schnee, knirschend und näher kommend.
Isa war kein ängstlicher Typ, aber sie konnte nicht sehen, wer sie verfolgte, und das beunruhigte sie. Vor allem, da sie sich inzwischen darauf konzentrieren musste, anzuhalten.

Ihre Blicke suchten einen Vorsprung, etwas, hinter das sie kurz schlüpfen konnte, bis der Verfolger vorbeigegangen war, aber es kam nichts in Sicht. Sie erwog, einfach stehen zu bleiben, bis der Mann in Sichtweite kommen würde, das traute sie sich aber doch nicht.
So ging sie weiter, furchtsam die Ohren gespitzt. Die Schritte kamen weder näher noch entfernten sie sich.

Und wie sie jetzt musste!
Wenn sie wenigstens einen Moment stehenbleiben könnte, um die Schenkel zusammenzukneifen - aber die Schritte trieben sie vorwärts.
Sie begann zu frieren. Ihre Füße waren eiskalt geworden und sanken bei jedem Schritt bis über die Knöchel im Schnee ein.
Das Gehen fiel ihr immer schwerer und sie durfte nicht langsamer werden, sonst würde er sie erwischen. Zeitungsmeldungen fielen ihr ein. Die Gegend war bekannt für Vergewaltigungen. Gerade letzte Woche war an der Feldstraße eine Frau ins Gebüsch gezerrt worden. Jetzt dämmerte es auch noch!

Isas Blase zog bei jedem Schritt. Sie zischte leise durch die Zähne vor lauter Not.
Endlich! Der ersehnte Vorsprung! Ein alter Geräteschuppen, direkt an den Zaun gebaut. Isa lief darauf zu und, sprang dahinter und presste den Rücken an die Bretterwand.
Verzweifelt schlang sie die Beine umeinander und drückte eine Hand in den Schritt. Die Schritte kamen näher. Isa versuchte flach zu atmen und kein Geräusch zu machen. Dabei wäre sie am liebsten von einem Bein aufs andere getänzelt, so heftig kamen jetzt die Wellen.

Der Mann hatte den Schuppen erreicht und blieb stehen. Sie sah ihn nicht, dazu hätte sie um die Ecke gucken müssen und das konnte sie nicht riskieren. Sie hörte, wie er ganz nah herumfuhrwerkte - was tat er, um Himmels Willen? Isa musste sich nach vorn beugen, sie war ganz kurz davor, sich nasszumachen.

Da hörte sie es. Er pisste! Er pisste geräuschvoll gegen den Schuppen.
Mit Isas Beherrschung war es zu Ende. Dieses Plätschern gab ihr den Rest. Hilflos spürte sie, wie es kam, wie es sich Bahn brach, sich warm in ihre Jeans ergoss. Es flutete ihr die Beine hinab und tröpfelte, nein, lief in den Schnee.
Sie betete, dass er das Zischen nicht hören möge. Aber er strullte hingebungsvoll und laut. Bevor sie es verhindern konnte, entwich ihr ein erleichtertes Stöhnen. Erschrocken hielt sie den Atem an.

Sein Strullen verebbte. Sie hörte den Reißverschluss seiner Hose. Dann ging er weiter, am Schuppen vorbei. NEIN!
Ihr blieb fast das Herz stehen.
"Gregor?" fragte sie mit zitternder Stimme.
Er drehte sich um und kam auf sie zu. "Da bist Du ja! Ich hab Dich vorhin an der Feldstraße gesehen und bin Dir hinterhergelaufen, aber in dem ganzen Schneetreiben warst Du plötzlich weg. Ich wollte... Isa? Isa, was ist denn?"

Isa schluchzte.
Gregor nahm sie in die Arme. "Ach Isa. Nun wein doch nicht. Ich war bei Dir zu Hause und Du warst nicht da. Wir müssen reden, weißt Du? Ich kann keine Nacht mehr schlafen, Du fehlst mir so und mir ist jetzt auch manches klar geworden. Das war dämlich von mir mit dem Computer. Ich hab aber ne Sicherungskopie gemacht!"
Gregor zog einen Silberling aus der Innentasche seiner Jacke und hielt ihn hoch.

Isa nahm ihn, schmiss ihn in den Schnee und warf die Arme um Gregors Nacken.
Dann küsste sie die wunderbaren Gregor-Lippen und schmiegte sich ganz eng an ihn. "Hab ich Dir verziehn, okay? Lass uns mal nach Hause, bitte."
"Zu Dir oder zu mir?" fragte er lächelnd.
"Na, zu mir. Das ist näher. Und ich will Dich endlich wieder ganz bei mir haben, ganz nah, jetzt sofort..."
"Isa Engel.." Gregor umarmte sie so heftig, dass ihr die Rippen schmerzten.
"Den nehmen wir aber mit, was?" meinte er noch, dann hob er den Silberling auf und sie gingen nach Hause.

Löwenliebe die Zwote. Ob es diesmal gelingt...?

Fortsetzung möglich.

;-)))


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