Autoradio


Es war wieder einer dieser Tage im Büro gewesen, die mir den Nerv ziehen.
Den ganzen Tag über war es drückend schwül gewesen und jeder, wirklich jeder, mit dem ich zu tun hatte, ging schon allein deshalb aufm Zahnfleisch.
Zickige Sekretärinnen am Telefon, Vorgesetzte, die nicht mit Druck zurecht kamen und diesen deshalb ungemindert weitergaben - es war eine wahre Freude.

Auf meinem Schreibtisch stapelten sich wichtige Anfragen; die E-Mail Box war randvoll - alles natürlich mit Eilvermerken und Wiedervorlagefähnchen gespickt - ich hätte aus der Haut fahren können.
Zudem war Urlaubszeit und ich hielt allein die Stellung.

Die Nacht voher hatte ich zuwenig geschlafen, wegen der Hitze.
Ich saß am Schreibtisch und versuchte, mich zu konzentrieren. Literweise starker Kaffee half mir dabei. Es waren mindestens 30 Grad in meinem Office und ich trank und trank - halb wegen des Koffeins, aber auch, weil ich einfach durstig war.

Zigarettenpausen waren nicht drin - ich rauchte aus Prinzip nur im Pausenraum und Unterbrechungen konnte ich bei dem Arbeitsvolumen nicht gebrauchen. Da musste der Kaffee eben peppen. Und das tat er schließlich auch.

Endlich, abends gegen 20 Uhr, hatte ich die Schnauze voll. Ich fuhr den PC runter, huschte nochmal aufs Klo und schloss mein Büro ab. Feierabend!! Sollten die doch sehen, wie sie klarkamen. Mein Tag hatte schon 15 Stunden seit dem Aufstehen gehabt und ich fühlte mich einfach total ausgelaugt und platt.

Natürlich fuhr mir der Werksbus, der mich vom Firmengelände zum Parkplatz bringen sollte, dorthin, wo mein Auto stand, vor der Nase weg. Na prima. Ich wartete ergeben auf den nächsten. Klar hätte ich auch zu Fuß gehen können, aber es war immer noch drückend schwül und die 2,5km wollte ich nicht laufen. Also eine halbe Stunde Geduld. Schließlich kam der Bus, ich stieg ein und nach 12 Minuten war ich an der Parkplatzhaltestelle. Nun noch 10 Minuten Fußweg - mein Wagen stand tröstlich und tapfer noch dort, wo ich ihn am morgen kreativ abgestellt hatte. Das war Glück, denn der Parkplatz war überfüllt gewesen und ich hatte den ganzen Tag über Sorge gehabt, dass der Sicherheitsdienst ihn abgeschleppt haben könnte. So direkt unter dem Schild mit dem absoluten Halteverbot, na das war schon dreist gewesen...

Die Sonne schien immer noch heiß vom Himmel, obwohl es schon halb neun war. Sommerzeit eben. Der Wagen war aufgeheizt wie sonstwas und ich musste erstmal alle Türen öffnen und warten, bis sich die 60 Grad im Inneren auf 30 Grad "abgekühlt" hatten.

Bevor ich losfuhr, machte ich das Radio an.
Damals lief auf NDR so eine Wunschmusiksendung, die ich ganz gern hatte. Hörer konnten per Postkarte (SO lange ist das schon her) ihre Lieblingsstücke einschicken und die Moderatoren haben das dann gespielt. Da waren manchmal echte Jazz-Raritäten dabei. Hoffnungsvoll lauschte ich. Es ging ganz gut los, mit alten Stücken von Chet Baker und Sarah Vaughn...

Langsam kroch mein Auto die Straße entlang. Was zur Hölle war denn hier wieder los?
Keine Ahnung. Wahrscheinlich wieder ein Unfall an der Anschlussstelle zur Autobahn. Kaum scheint in Hamburg mal die Sonne, drehen die alle durch - na gut. Also Stop-and-go. Die Scheiben waren unten, aber durch das Geschleiche kam kein kühlender Fahrtwind zu Stande. Mein Top klebte mir am Rücken, es war heiß heiß heiß. Nach einer Stunde spürte ich meine Blase. Der Nachmittagskaffee meldete sich. Nun ist das für mich kein großes Problem: ich kann sehr gut anhalten. Außerdem saß ich ja im Auto und das machte es leichter. Zu Fuß hätte ich schon mehr Probleme gehabt.

Die Autobahn führte durch den Hafen.
An diesem Tag konnte ich den Wahnsinnssonnenuntergang über den Containerkränen aber nicht genießen. Es ging immer noch sehr schleppend weiter und ich hatte inzwischen einen resoluten Druck im Unterbauch. So langsam geriet ich in Nöte...

Im Radio ging die Sendung weiter. Die Moderatorin hatte ihre eigene Methode, mit der Hitze fertig zu werden. Sie half sich mit kühlem Humor. Ihre Kommentare zu den Einsendungen brachten mich zum Lächeln. Ich achtete sehr darauf, nicht zu lachen, das wäre fatal gewesen. Immerhin kam jetzt meine Ausfahrt und ich war gerade glücklich auf der Kieler Straße - da geschah es.
Beiläufig begann sie: "...dann haben wir hier noch eine Karte bekommen, damit hatten wir wirklich unsere liebe Mühe. Ein Herbert... na, den Nachnamen sage ich lieber nicht.. also ein Herbert aus Neu-Wulmstorf wünscht sich hier... Moment mal, ich zitiere: "Könnten Sie bitte mein Lieblingslied spielen? Ich weiß nicht genau wie es heißt, aber ich glaub es ist "Muff Muff" von einer Edda Kamerun".. Nun.. wir gehen davon aus, dass es sich um "Move move" von Etta Cameron handelt. Jedenfalls spielen wir das jetzt...."

Verzweifelt versuchte ich, gleichzeitig rechts ran zu fahren, nicht sofort ins Höschen zu pinkeln und NICHT zu lachen - es misslang gründlich. Mit Warnblinker rauschte ich auf den Bürgersteig, schoß aus dem Auto, es half alles nichts... heiß lief es mir die nackten Beine hinunter. Ich sprang hinter einen Sicherungskasten und spreizte die Schenkel... In mein Strullen hinein hörte ich aus dem Autoradio "Move move" von der unvergessenen Etta Cameron, Passanten sahen mich kopfschüttelnd an, blutübergossen pisste ich zu Ende.

Das Lied hat seitdem eine besondere Bedeutung für mich :-))).



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