Do-it-yourself


Es war so eine "Phase" in meinem Leben - frisch getrennt und begierig darauf, auszuprobieren, ob ich noch die ganzen alten Tricks draufhab, die Methoden des Fangens und Fressens, die kleinen Spielchen, die zu beherrschen nötig sind, um sich den Kerl zu greifen, den ich wollte.
Das war ja alles schon so lange her - mal gucken, ob ich immer noch im Markt bestehen kann - das wollte ich.

So streunte ich durch meine schöne Stadt, nachts durch die Clubs. Nicht offensichtlich auf der Suche - aber immer auf dem Sprung, immer bereit, mir den Zipfel des großen Schicksalsmantels zu schnappen - sollte er denn an mir vorbeiwehen.

Er wehte schließlich auf der Schanze, dem Viertel, in dem ich mich so gut auskenne, dass ich mit geschlossenen Augen durch die Straßen laufen könnte - und doch immer wüsste, vor welchem Laden ich mich befinde.

Er war mit ein paar Freunden unterwegs. Hing an einem Stehtisch und trank Bier. Die anderen waren reichlich betrunken - er schien eher nachdenklich. Um die dreißig war er, braune Locken, mittelgroß, schlank, unauffällig. Ich saß am Tresen (wo auch sonst) und scannte den Raum ab - mein Blick blieb an ihm hängen. Die Art, wie er dastand, wie er in sein Bier starrte, wie er stumm darauf wartete, dass die Nacht ein Ende haben möge... das ließ mich über ihn nachdenken. Versonnen sah ich ihn an.

Unvermittelt hob er den Kopf und sah mir voll ins Gesicht. Es war, als hätte er die ganze Zeit bemerkt, dass ich ihn beobachtete. Ich blickte ihm in die Augen - große braune Augen. Weiß der Himmel, was ich für einen Gesichtsausdruck hatte. Gelächelt hab ich nicht, das war sicher. Er schien nicht überrascht, sah mich lange an. Ich hielt seinem Blick stand. Schließlich hob er sein Glas und prostete mir zu. Ich antwortete, indem ich mein Weinglas ebenfalls erhob.

Seine Kumpels wollten noch woanders hin. Er wehrte ab, wollte im Club bleiben. Schließlich ließen sie kopfschüttelnd von ihm ab und zogen weiter. Als sie fort waren, nahm er sein Glas und kam zu mir.
"Hi. Ich bin Matthias. Und wer bist Du?" fragte er. "Caro." meinte ich lakonisch und rückte etwas zur Seite, damit er sich neben mich setzen konnte. Er nahm Platz und sprach kein einziges Wort mehr. Ich hatte nicht die Absicht, um ihn zu werben - aber je länger er da saß, ganz still und in sich versunken - desto mehr wuchs in mir der Wunsch, etwas über ihn zu erfahren. Endlich legte ich ihm meine Hand in den Nacken und drehte seinen Kopf zu mir. "Hey du" lächelte ich. "Wasn los?"

Er saß völlig starr. Es war, als hätte meine Hand in seinem Nacken ihn in eine Art Stupor versetzt. Nach einer ganzen Weile flüsterte er "Lass nicht los, BITTE. Lass deine Hand da liegen, BITTE..." Oha. Musste schon ne ganze Weile her sein, dass ihn jemand berührt hatte. Sein Gesicht öffnete sich. Sein Mund, seine Augen - alles riesengroß und zitternd. In diesem Moment geschah etwas Seltsames mit mir. Ich verwandelte mich, vertauschte innerlich die üblichen Rollen, glitt vom Barhocker hinunter, stellte mich direkt vor ihn - ohne eine Sekunde meine Hand von seinem Nacken zu nehmen. Er war etwas kleiner als ich. Ich beugte mich runter zu ihm und küsste ihn, sanft - und doch bestimmt. So, wie ein Kerl eine Frau küsst. Entschlossen, vorsichtig und voller Begehren.

Er schloss die Augen, erwiderte meinen Kuss, leidenschaftlich, heftig, biss sich fest in meine Lippen, umarmte mich, gurrte unterdrückt und hingebungsvoll.
Das alles wurde so rasend schnell sexuell, intim und intensiv, dass wir beide spürten - ok - das ist jetzt nix mehr für einen öffentlichen Ort. Zwischen zwei Küssen wisperte er: "Kommst du mit? Ich ruf n Taxi..." Ich nickte.

Er wohnte in einem dieser gesichtslosen Wohnblöcke an einer Hauptverkehrsstraße. Es war nicht allzu weit weg. Seine Wohnung war ne typische Studentenbude. Praktisch eingerichtet, voller Bücherregale. Ein großes Zimmer, Küche, Bad, das war es schon.

In seinem Zimmer hatte er an einer Wand ein Hochbett gebaut. Wir standen davor, heftig knutschend... Er zog mich aus, ich ihn... Schließlich nahm er einen kleinen Anlauf, ergriff die Kante des Bettes und war mit einem gekonnten Aufschwung oben. Ich suchte nach einer Leiter... NICHTS!
"Ey Matthias... Wie soll ich denn da hoch zu Dir?" Er legte sich auf den Bauch und reichte eine Hand nach unten. "Komm, ich helf Dir hoch!".
Wie ich schon mal erwähnt hab, bin ich recht groß, keinesfalls ein Fliegengewicht und so unsportlich, wie man nur sein kann. Der Plan konnte nicht aufgehen. Ich grinste und holte mir aus der Küche einen Stuhl. So ein kleines italienisches Designerteil, nicht sehr stabil, aber wenigstens stylisch. Mit einer Hand ergriff ich die Kante, stellte ein Bein auf den Stuhl, zog mich hoch und legte mein anderes Bein längs über die Kante. Matthias packte beherzt zu und zog... Endlich war ich oben.

Wir vögelten, dass es nur so seine Art hatte :-). Er war zärtlich, heftig und sehr sehr bewusst bei der Sache. Ich genoss jede Sekunde. Als er in mir war, flüsterte er bei jedem Stoß "Liebe..Liebe..Liebe". Etwas verwundert stellte ich irgendwann fest, dass das Bett mitschwang... Wie ein kleines Tierchen vergrub er danach seinen Kopf in meine Achsel und sog meinen Duft ein. "Caro... oh Caroooo..." Er schien wie erlöst, ganz frei plötzlich. Nach einer Weile sah er mich an, strahlend und glücklich. "Caro, weiß Gott im Himmel, warum ich dort war, heute nacht. Ich wollte gar nicht raus. Und dann DAS..." Ich gluckste fröhlich. "Tja, es GIBT keine Zufälle..."

Viele Stunden später (es war schon hell) schliefen wir ein.

Gegen Mittag wurden wir wach. Matthias schwang sich vom Hochbett und verkündete, dass er nun mal n Kaffee machen wollte. Er verschwand in der Küche...

Ich sah ihm nach. Was für ein hinreißender Hintern :-).
Nun musste ich aber auch langsam runter. Meine Blase drückte gewaltig. Ich war am Vorabend um 18 Uhr zuletzt pinkeln gewesen, dann der ganze Wein und der Rest der Nacht...
Prüfend sah ich über die Kante.
In unendlicher Tiefe war der rettende Fußboden. Runterspringen? Kein Gedanke, ich wollte mir ja nicht die Gräten brechen. So eine turnerische Glanzleistung wie Matthias traute ich mir nicht zu. Der Stuhl stand zwar immer noch da, aber so ganz ohne Hilfe? Egal, ich musste es versuchen. Vorsichtig rutschte ich an die Kante heran, hatte auch gerade ein Bein Richtung Stuhl über das Bett gehoben, als die ganze Konstruktion sich zärtlich Richtung Zimmermitte neigte. VERFLUCHT! Mit einer raschen Bewegung warf ich mich zurück. Das Bett schlug geräuschvoll gegen die Wand.

Das Hochbett war nicht mit der Wand verschraubt!
"Matthias! Hilf mir mal!" jammerte ich. Der Schöne kam aus der Küche und ließ sich das Problem erklären. "Hast du ne Leiter?" fragte ich hoffnungsvoll. Natürlich hatte er keine.
"Dann frag bei den Nachbarn!" bat ich verzweifelt. Ich musste nun schon sehr dringend und war dementsprechend ungeduldig. Mein Süßer zog sich an und verließ die Wohnung. Ich betrachtete das gegenüberliegende Bücherregal. Aha. Politologie oder Soziologie. Vielleicht beides...

Endlich kam er zurück. Ohne Erfolg. Die zwei Nachbarn, die überhaupt aufgemacht hatten, waren ebenfalls nicht im Besitz einer Leiter. "Oh nein! Was mach ich denn jetzt? Wir können ja schlecht das Technische Hilfswerk rufen, dann steht morgen in Riesenlettern in der Bild: "Blondine kam nicht vom Hochbett runter, THW musste helfen!" Typisch Student! "Karl Marx - Leben und Werk" im Regal, aber keine Leiter im Haus!" Nöte machen mich ungerecht - und ich WAR in Not, aber WIE!

Matthias war komplett hilflos. "Ich weiß jetzt auch nicht. Ich könnte dich auffangen...???" DEN Gedanken verwarf ich sofort. EIN Verletzter wäre schon genug, aber ZWEI?

Okay, es half ja alles nichts. "Matthias, hast du denn wenigstens ne große Plastikschüssel?" Er verstand sofort und rannte in die Küche.
Die Schüssel war eins von diesen großen grünen Allzweckteilen, in denen man auch Wäsche färben konnte. Er warf sie mir hoch und ich schob sie mir zwischen die Beine. "Guck jetzt mal weg!" befahl ich, aber Matthias grinste. "Nö. Mach mal..."

Mit rotem Kopf begann ich zu pissen. Das Zischen war sehr druckvoll, dumpf pladderte der Strahl. Ich stöhnte vor Erleichterung. Matthias sah interessiert zu. Als ich fertig war, bat ich ihn, mal einen Moment in die Küche zu gehen, denn ich hatte inzwischen eine Idee. Vom Druck befreit, begann mein Hirn wieder zu arbeiten und ich hatte registriert, dass im rechten Winkel zum Bett ein alter antiker Schrank stand. Bei der nachfolgenden, wenig eleganten Aktion wollte ich keine Zeugen haben, schon gar nicht einen Kerl, den ich ziemlich klasse fand...

Matthias ging breit grinsend in die Küche und ich robbte vorsichtig wieder an die Kante, immer auf die Balance des Hochbettes achtend. Mit einem Griff packte ich die geschnitzte Holzverzierung an der Oberseite des Schrankes. Ein Bein über die Kante, Richtung Stuhl und dann mutig mit Schwung drübergeflankt!

ZACHKRACHPENGKNALL!

Der Designerstuhl faltete sich ohne weitere Protestgeräusche unter mir zu etwas zusammen, was man ohne Probleme als Postbrief versenden könnte.
Zeitgleich brach das Schnitzteil vom Schrank ab.
So stand ich dann da - splitternackt, in meiner Hand ein Stück Schrankverzierung, unter meinen Füßen die Reste italienischen Innovationsgeistes und vor mir? Vor mir stand Matthias, Tränen lachend :-).

Er hat dann die Decken vom Bett runtergeholt, uns ein Nest in der Mitte des Zimmers gebaut und das Frühstück daneben gestellt. Meine Bestrebungen, mal zwischendurch ins Bad zu verschwinden, um mich mal untenrum zu waschen, vereitelte er geschickt :-). "Caro, bleib mal so. Ich fand das sehr geil vorhin, die Aktion mit der Schüssel. Lass die Spuren davon an dir, okay?" Ich verstand das erst nicht. Aber drei Pötte Kaffee und ein paar Brötchen später nahm er mich wieder in die Arme, schmiegte sich eng an mich und legte seine Hand sanft zwischen meine Beine, dorthin, wo es immer noch ganz feucht war.

Wir trieben es wohl noch viermal an diesem Tag - und an den folgenden nicht viel weniger.

Matthias und ich sind ne ganze Weile aneinander hängen geblieben. Damals hatte ich noch keine Ahnung von Aurum. Inzwischen weiß ich soviel mehr. Tempi passati.

Matthias und ich sind - obwohl inzwischen zwei Länder auseinander wohnend - immer noch ab und an in Kontakt. Wird Zeit, dass er mal von Aurum erfährt, meint Ihr nicht?

Lieben Gruß

Caro

:-)))



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