Besuch beim Professor


Freds Studium ging gut voran - wenn nicht Prof. Breugel wäre. Sie war in jeder seiner Vorlesungen, schrieb Referate, gab ihm, was er wollte. Trotzdem schien er nie zufrieden. Er benotete sie härter als andere, zeigte ihr offen sein Missfallen. Fred bekam nicht heraus, woran das liegen könnte.


Breugel sah eigentlich ganz gut aus, fand Fred. Ende vierzig, grauhaarig okay, aber kein verkopfter Schlaffi. Er wirkte trainiert, war stets leicht gebräunt - sah nach viel frischer Luft aus. Ein Segelboot vielleicht? Draußen, also außerhalb der Uni hätte sie möglicherweise sogar mit ihm geflirtet. Aber seine Position als ihr Prof änderte alles. Er hatte Macht über sie. Das gefiel Fred ganz und gar nicht. Vor allem seine Art, sie das immer wieder spüren zu lassen, ging ihr gegen den Strich. Sie musste sich zwingen, freundlich zu ihm zu sein, und sie hatte den berechtigten Verdacht, dass er das genau registrierte.


Niels lachte über Freds Kummer. "Er ist nur ein Prof, Mädel! Nach der Uni siehst du den nie wieder. Das geht alles vorbei, warts ab. Noch zwei Jahre und du bist den los, für immer!" Fred fühlte sich nicht gerade getröstet. "ZWEI Jahre, Niels, zwei! Und meine Noten hängen von dem ab! Ich muss das irgendwie in Ordnung bringen. Da stimmt was nicht, und ich will wissen, was das ist!"


Sie ersuchte Breugel um einen Gesprächstermin. Wie üblich zickte er rum. "Frederica, meine Zeit ist die nächsten Wochen wirklich begrenzt. Sie haben ein Jahr lang keinen Termin haben wollen, jetzt auf einmal doch? Ist es Ihnen denn so wichtig, dass ich hier besondere Anstrengungen für Sie auf mich nehmen muss?" Wie sie ihn hasste, gerade jetzt! Herablassend und wie nebenbei hatte er es geschafft, sie wieder klein zu machen, in die Bittstellerposition zu drücken. Fred riss sich zusammen. "Ja, Herr Professor Breugel, es ist mir so wichtig. Ich möchte eine Stunde Ihrer Zeit. Es geht um meine Zukunft und um unser künftiges Lehrverhältnis. Ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar, wenn Sie es möglich machen könnten..." Iiiiihgitt, wie sie kriechen musste! Breugel seufzte, klappte seinen Palm auf und ging seine Termine durch. "Alles dicht. Da waren andere wieder einmal schneller als Sie. Aber wenn es "SO wichtig" ist, warten Sie, heute abend komm ich um 20 Uhr aus der Uni, danach wäre es möglich.
Sie wissen, wo ich wohne?" Klar wusste sie das. Breugel residierte in einem Jugendstil-Stadthaus in der St. Benedictstraße. Uni-nah und rasend teuer. "Vielen Dank, Herr Professor! Viertel nach acht?" "Halb neun!" entschied er. Dass er auch NICHTS von ihr einfach hinnehmen konnte! Aber immerhin. Sie hatte den Termin.


Abends stand sie pünktlich vor seiner Tür. Sie hatte sich sorgfältig zurechtgemacht. Haare streng nach hinen gekämmt und zum Zopf gebunden, cremefarbenes Top, blauer gerader Rock, Nylons, Pumps, kaum Schmuck und ihr Make Up war zurückhaltend: Augen betont, Lippen blassrosa. Sie klingelte und probte ein Lächeln. Er öffnete selbst. Okay, soweit sie wusste, lebte er allein. Zu ihrer Überraschung lächelte er ebenfalls, trat zur Seite und machte eine einladende Geste. "Kommen Sie herein, Frederica. Es tut mir Leid, dass ich in der Uni so kurz angebunden war. Die Universität zehrt mehr an meinen Nerven, als ich zugebe. Bitte gerade durch in den Salon..."


Der Salon war ein nicht sehr großer Raum voller Antikmöbel. An den Wänden standen erwartungsgemäß riesige Bücherregale. In der Mitte des Raumes war ein kleiner runder Tisch, auf dem bereits Kaffeegeschirr angerichtet war. Breugel bot ihr einen Platz an und setzte sich zu ihr. Bevor sie mit ihrer sorgfältig zurechtgelegten kleinen Rede beginnen konnte, sah er sie an und meinte anerkennend "Sie sehen wunderbar aus, wissen Sie das? In der Uni laufen ja alle meist in Jeans herum. Ihnen steht das Professionelle sehr gut. Ich kann mir vorstellen, dass sie eine hervorragende Managerin abgeben werden - auch Ihrer Haltung nach." Fred war völlig überrascht. Was ist denn mit DEM los? fragte sie sich. Er schien komplett verändert.


"Ich habe Sie sehr hart rangenommen, Frederica, ich weiß das wohl. Meinen Sie denn, wenn sie aus dem Reservat der Universität herauskommen, dass da draußen in der wirklichen Welt alle Menschen nett zu Ihnen sein werden? Sie werden es schwer haben. Sie sind eine Frau, nicht sehr groß. Lachen Sie nicht, aber das spielt immer noch eine Rolle. Der Mensch funktioniert atavistisch. Der dünne Firnis von Bildung und Manieren verbirgt nur an der Oberfläche den Neanderthaler, der in uns allen steckt. Man wird versuchen, sie klein zu halten, sie auszunutzen und sie nicht weiterkommen zu lassen. Sie sind einfach zu... niedlich. Verzeihen Sie den Ausdruck. Wenn man Sie ernst nehmen soll, dann müssen Sie sich üben, in Strategien. Dass Sie um diesen Termin nachgesucht haben, war gut. Dass sie auf ihm bestanden, obwohl ich Ihnen Schwierigkeiten machte, ist SEHR gut. Sie zeigen mir damit, dass sie lernen."
Breugel goss der perplexen Fred Kaffee nach. "Schmeckt er Ihnen? Ich sehe mit Freude, dass Sie Ihren Kaffee ohne Zucker und Milch trinken. Das zeugt von Geschmack." Fred nickte. "Danke. Ja, der Kaffee ist hervorragend. Ich muss ehrlich sagen, ich war mir nicht sicher, in welcher Atmosphäre wir reden würden. Ich bin sehr froh..."


Das nachfolgende Gespräch drehte sich nur anfangs um ihr Studium. Breugel hatte mit wenigen Sätzen klar gemacht, dass er sie sehr wohl schätzte und ihr in der Abschlussbenotung keinerlei Schwierigkeiten machen würde. Er hatte sie motivieren wollen, stärken. Fred spürte, dass er ihr die Wahrheit sagte. Plötzlich erschien ihr Breugel in ganz anderm Licht. SO also hatte er das alles gemeint. Ihm lag an ihr. Na, wenn das so war...


Ihr Professor begann, von seinen Reisen zu erzählen. Von jedem Kontinent brachte er seltene Pflanzensamen mit und sein Hobby war es, aus diesen Samen auf dem sehr großen Balkon in Töpfen Blumen und Sträucher zu züchten. Der Balkon ging vom Salon ab. Das Haus war an der Frontseite zwar parterre, aber nach hinten raus stand es in Hanglage - also befand man sich dort praktisch im ersten Stock. Fasziniert blickt Fred durch die Scheibe der Balkontür. Was für eine Aussicht! "Ich hab das Haus geerbt" klärte Breugel sie auf. "Es ist das Einzige, was von meiner Familie übrig geblieben ist" Einen Moment lang legte sich ein Schatten auf sein Gesicht. Kurz darauf lächelte er wieder. "Genug davon. Erzählen Sie mir von Ihrer Familie!"


Und Fred begann, zu berichten. Von ihrer Düsseldorfer Industriellensippe, von ihrer Flucht nach Hamburg, in die Freiheit. Auch ihren Job in der Kneipe erwähnte sie. Breugel nickte anerkennend. Die Zeit verflog. Wie lange saßen sie da schon zusammen? Zwei Stunden? Breugel hatte bereits die zweite Kanne Kaffee gebracht und Fred genoss das herrliche schwarze Gebräu aus Columbia Bohnen. Als er ihr wieder einschenkte, zögerte sie etwas, bevor sie die Tasse an den Mund setzte. Trotz des angeregten Gespräches war ihr seit einiger Zeit etwas unbehaglich zumute. Sie musste zur Toilette. Die ganze Aufregung und der viele gute Kaffee waren Fred gewaltig auf die Blase geschlagen. Nun, sie würde ihn halt fragen, gleich, wenn er zu Ende war, mit seiner Geschichte über Australien. Fred wollte auf keinen Fall unhöflich erscheinen und ihn unterbrechen. Aber er redete und redete...


Langsam ließ Freds Konzentration nach. Sie saß kerzengerade auf dem antiken Stuhl, den Rücken an die gerade Lehne gepresst. Ihre Knie hielt sie fest zusammen. Nun war Fred nicht untrainiert. Im Gegenteil. Sie liebte ihre kleinen Desperation Spiele. Aber das hier war was anderes. Sie war ja nicht zu Hause oder in der Kneipe. Breugel war wichtig. Jetzt war er bei der Beschreibung seiner Besteigung des Ayer's Rock. Das konnte dauern. Fred wusste, dass sie ihn bald unterbrechen musste. Gleich würden ihre Schenkel zu zittern beginnen und sie wollte auf jeden Fall noch damenhaft aufstehen und äußerlich ruhig zur Toilette gehen. Es musste sein...


"Verzeihung!" presste sie schließlich hervor. Erstaunt unterbrach Breugel sich und sah sie an. "Ja bitte?" Fred bemühte sich, möglichst ruhig zu klingen. "Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie unterbreche. Ich müsste eben kurz zur Toilette. Können Sie mir bitte zeigen, wo das ist?" Breugel sah sie weiterhin an. "Frederica, sicher. Aber unterschätzen Sie nicht die Wichtigkeit, auch in Konferenzen eine gewisse Beherrschung an den Tag zu legen. Da können Sie auch nicht mittendrin mal kurz "Für Damen". Nun, ich wollte eben sowieso kurz aufstehen, um Ihnen einen australischen Farn auf dem Balkon zu zeigen, den ich aus Samen vom Ayer's Rock gezogen habe. Danach zeige ich Ihnen gern die Waschräume." Fred verfluchte sich dafür, dass sie solange gewartet hatte. Aber jetzt zugeben, dass es schon sehr dringend war? Wie würde das aussehen?


Ergeben folgte sie Breugel auf den Balkon und stand mit zusammengekniffenen Beinen vor seiner imposanten Pflanzensammlung. Breugel erklärte ihr detailverliebt jede einzelne davon. Schließlich ging es nicht mehr: Fred musste die Beine kreuzen. Breugel sah es und meinte: "Oh. Wir wollen es nicht übertreiben mit der Beherrschung. Warten Sie..." Er ging zur Glastür voran und wollte sie öffnen. Verblüfft ruckelte er an der Klinke. "Das darf doch nicht wahr sein!" schimpfte er empört. "Jetzt ist die Tür zugefallen und lässt sich nicht mehr öffnen. Seit dieses Sicherheitsschloss da drin ist, hab ich das schon zweimal gehabt. Das erste Mal hatte ich ein Handy dabei und hab den Hausmeister rufen können. Das zweite Mal musste ich bis morgens auf meine Haushälterin warten. Die hat einen Schlüssel. Haben SIE Ihr Handy hier?"


Fred stand fassungslos da. Natürlich war ihr Handy in der Handtasche und die hing drinnen über der Stuhllehne. Sie schüttelte den Kopf. Breugel begann wieder, an der Tür zu ruckeln. "Herr Professor, bitte! Ich muss jetzt wirklich zur Toilette!" Freds Stimme war ganz hoch vor lauter Not. Sie trat von einem Fuß auf den anderen. Wenn sie sich wenigstens setzen könnte! Aber der ganze Balkon war voller Blumenkübel, kein Stuhl, kein Tisch. Die Brüstung war auch zu hoch. Fred überlegte fieberhaft. Breugel drehte sich kurz zu ihr um. "Ich kann es auch nicht helfen. In einer Stunde können wir hier raus, dann kommt ein Freund vorbei, mit dem mich verabredet hab. Der hat einen Schlüssel." Fred flüsterte "Das schaff ich nicht. Ich muss zu nötig. Was mach ich denn jetzt?" Flehend sah sie ihn an.
Breugel schien nachzudenken. Er legte eine Hand an sein Kinn und grübelte.


"Auf den Boden geht es nicht, das läuft über den Rand und tropft dann auf meine Rosen. Warten Sie, ich hab da doch noch den Topf mit dem Koniferensamen, der seit drei Jahren nicht aufbricht. Zirbelkiefer aus Sardinien..." Nichts interessierte Fred im Moment weniger, als Zirbellkiefersamen aus Sardinien. Sie konnte fast nicht mehr. Obwohl sie mit aller Kraft zuhielt, spürte sie schon, wie ihr Höschen feucht wurde. "Biitteeeee...." stöhnte sie.


Breugel beugte sich zu seinen Kübeln hinab und räumte einen kleinen Topf aus der hintersten Ecke hervor. Nur Erde drin, schien es. Er stellte den Topf in die Mitte des Balkons und meinte "Nehmen Sie den. Da kann nichts mehr schiefgehen. Der Samen wird seit Jahren nichts, also..." Immerhin drehte er sich um. Fred ging staksig zwei Schritte nach vorne, um sich über den Topf zu hocken, aber es war zu spät, sie strullte schon. Wenigstens der Strahl traf. Scharf zischend brach es sich Bahn. Hoch spritzte die braune Erde auf. Schnell war der Rand des Topfes erreicht, ihr Saft quoll drüber und lief an einer Seite hinunter. Fred versuchte alles, aber sie war völlig außerstande, zu stoppen. Sie hatte gerade noch den Rock hochrollen können. Ihr Slip war nass bis zum Bauch und ihr ganzer Hintern war warm und feucht. Und immer noch pisste sie.


"Frederica...." hörte sie plötzlich den Prof mit belegter Stimme sagen. "Frederica, wenn ich gewusst hätte, dass es so dringend war..." Er stand immer noch abgewandt, aber etwas an seiner Körperhaltung schien verändert. "Es tut mir so Leid. Ich hab Sie falsch eingeschätzt, wahrscheinlich von Anfang an..." Fred hatte inzwischen auf gehört zu pinkeln. Sie stand starr, verblüfft, immer noch breitbeinig mit hochgerolltem Rock über dem Topf, als er sich umdrehte. Sein Gesicht war eine einzige Bitte um Verzeihung. "Oh Gott, wie schön Sie sind" wisperte er unvermittelt. Sie sah an sich herab. Ihre Nylons waren nass geworden, trotzdem - dass ihm ihre Beine gefielen, wunderte sie nicht. Und so ein Anblick bot sich ihm sicher nicht nochmal. Aber was hatte er gemeint? Dass es ihm Leid täte? Okay, er hatte sie gefordert, hatte nicht gewusst, wie rasend nötig sie schon pissen musste, aber sonst?


Als Breugel zur Balkontür ging und sie mit einem Griff öffnete, wurde ihr klar, was los war. Sie schnappte empört nach Luft. "Herr Professor! Also, das ist doch..!!!" Er ging mit schuldbewusst gesenktem Kopf hinein, sie folgte. "Ja, ich weiß. Das war nicht fair. Ich wollte Sie in Verlegenheit bringen, stimmt. Allerdings muss ich zu meiner Verteidigung sagen, dass ich wirklich dachte, es sei noch nicht allzu nötig bei Ihnen. Darf ich es wieder gutmachen?" Er sah sie so ehrlich mitfühlend an, dass ihr Zorn verflog. "Na, wie wollen Sie DAS denn anstellen?" fragte sie kampfeslustig.


Aber da hatte sie IHN unterschätzt. Breugel ließ ihr ein Bad ein, kramte aus seinen Schränken ein paar originalverpackte Herren-Boxershorts hervor und warf, während sie badete, ihre Nylons und den Slip in die Waschmaschine - und danach in den Trockner. Während sie drauf warteten, dass Freds Sachen wieder tragbar wären, plauderten sie weiter im Salon. Diesmal aber über Breugels Neigung, Frauen zu kompromittieren - und darüber, dass niemand, wirklich niemand von dem Vorfall erfahren dürfte.


Als sie weit nach Mitternacht ging, kannten die beiden sich schon sehr viel besser. An der Tür hätte sie ihn fast geküsst, zum Abschied. Gerade noch rechtzeitig nahm sie sich zusammen. Ihm ging es genauso. Sie mochten sich, sehr. Aber er war ihr Prof. Und beide würden das nicht vergessen.


:-)))



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