Sommertänze


Was für ein Tag!

Sonnensatt, flirrende Hitze lag über Allem. Die Stadt atmete den Sommer. Hamburg wird nicht, wie andere Großstädte, staubig und stickig - immer weht ein feiner Wind, reinigt das allgegenwärtige Wasser aus Elbe, Alster, Fleeten, Flüsschen die Luft. Springbrunnen sprühten glitzernde Tröpfchenkaskaden Richtung strahlend blauen Himmel. Das Grün der vielen Bäume glänzte im Licht.

Die Menschen lächelten, gingen langsamer als sonst, bevölkerten die Parks und Seeufer. Flanierten, eisschleckend und sonnenbebrillt am Jungferstieg entlang, saßen enstpannt zurückgelehnt auf Gartencaféstühlen und Bänken.

Melissa war den ganzen Tag Rad gefahren, quer durch die Stadt, an der Elbchaussee entlang, links von sich den trägen Fluss, rechts die prunkvollen Barockvillen. Auf der abschüssigen Strecke vor Teufelsbrück war sie mit über 50 kmh hinabgesaust - ihre taillenlangen roten Locken flogen im Wind. Diese Haare! In unzähligen Rottönen von Kupfer bis Kirsche ringelten sie sich, eine neiderzeugende Fülle glänzender Pracht. An Tagen wie diesen erwog Melissa, sie kurz zu schneiden. Zu heiß im Nacken, zu verwuschelt abends. Es kostete sie nach dem Waschen meist 20 Minuten, bis sie mit dem Kamm da durch war. Entsetzte Proteste ihrer Freunde hielten sie immer wieder ab. Und wenn sie Rad fuhr, so wie vorhin an der Chaussee, wirkte sie wie eine Fackel im Wind, ihre flammende Lockenpracht wehte, schaukelte und flog, streichelte ihre nackten Schultern. Sie mochte das sehr.

Ihre Haare fingen die Düfte ein. André hatte oft abends sein ganzes Gesicht da hineingewühlt und geschnüffelt, wie ein Hündchen. "Meliss', dein Aare.. wo bist Du gewessen? An Afen?" Sie liebte seinen Akzent. André war aus Paris, der Beruf hatte ihn in den Norden verschlagen. Nun war er wieder fort, seit Wochen schon, und Melissa ahnte, dass er nicht zurück kommen würde. Ihr Herz war schwer, sie bestand an manchen Tagen nur aus Wehmut und Trauer. Aber nicht heute! Heute war der Sommer in der Stadt und sie war fest entschlossen, das Leben wieder hell zu sehen.

Sie schob ihr Rad die Alster entlang. Ihre Beine waren schwer vom Fahren und sie war durstig. Da! Eine leere Parkbank! Melissa stellte ihr Rennrad daneben ab, schnallte die Radtasche herunter und holte ihre große Wasserflasche heraus. In gierigen Schucken trank sie. Das tat gut... Sie setzte die Sonnenbrille ab und schloss die Augen. Genießerisch spürte sie die Wärme. Der heutige Tag würde wieder mal dafür sorgen, dass die Zahl ihrer Sommersprossen sich verdreifachte. Sie lächelte.

°°°

Tanzen war Jans Welt. Er wollte nie etwas anderes machen. Seinen Eltern zuliebe brachte er eine Schreinerlehre hinter sich, ging aber jeden Abend in die Stage School, um Tanzen zu lernen. Richtiges Tanzen - Bühnenreif. Ballett, Showtanz, Standard, lateinamerikanisch - das volle Programm eben. Jans Körper war wie für's Tanzen gemacht: mittelgroß, schlank, sehnig, leicht war er. Seine dunkelblonden Haare trug er kurz - sie standen ihm senkrecht vom Kopf ab - ungewöhnlich für einen Tänzer. Die meisten Männer in der Branche hatten wallende Mähnen, mindestens aber halblange Locken. Okay, das allgemeine Klischee stimmte schon oft - viele Tänzer waren schwul. Jan hatte oft Mühe, den Avancen seiner Kollegen glaubhaft zu entgehen. Er selbst wirkte zart, wenn er tanzte. Zart und federleicht. Kein Wunder...

Die Engagements waren endlich gekommen. Zur Zeit war er für "König der Löwen" gebucht. Allein die Musik gefiel ihm schon. Die Kollegen waren auch erstklassig. Professionell und freundlich dabei - auch nicht selbstverständlich in dem Job. So verwandelte sich Jan Abend für Abend in einen Afrikaner, äußerlich und innerlich. Stampfend tanzte er, brüllend sprang er auf die Bühne, Lebensfreude ausstrahlend - eben ganz die Rolle - und ganz er selbst.

Heute hatte er seinen freien Tag und war mit dem Rad durch die Stadt gefahren. Er fühlte sich einfach am wohlsten, wenn er in Bewegung war. An der Alster kaufte er sich ein großes Erdbeereis und schleckte versonnen im Gehen. Das Rad schob er.
Als er Richtung Krugkoppelbrücke kam, sah er sie. Das heißt, er sah zuerst ein flammendes Rot, von Lichtflecken durchspielt, ein lockiges Meer von glänzenden Haaren, das hinten über die Rückenlehne einer Parkbank floss.

Sie lag mehr auf der Bank, als sie saß. Die Arme hinten auf der Lehne weit ausgestreckt, die Schultern in Kontakt mit dem Holz, die Beine leicht gespreizt und ganz lang gemacht... Ihre Augen waren geschlossen. Schlief sie? Langsam kam er näher. Er betrachtete ihr feines Lächeln. Zartroséfarbene Lippen, ungeschminkt, helle Gesichtshaut, irisch irgendwie - und diese Sommersprossen überall! Er war vor ihr stehen geblieben. Das Eis tropfte langsam über seine Hand, Jan bemerkte es nicht.

Melissa öffnete die Augen. Ein unbestimmtes Gefühl sagte ihr, dass sie beobachtet wurde. Vor ihr stand jemand - eine dunkle Silhouette, hinter ihm die Sonne. Sie erkannte an seinen Umrissen, dass es ein Mann sein musste, ein Mann mit einem Fahrrad. Jans Herzschlag setzte aus, als sie ihn blinzelnd ansah. Die Sonne schien ihr direkt in die Augen - was für Augen! Dunkler Waldhonig hat so eine Farbe, wenn Licht durch das Glas scheint. Er hatte eher mit Blau gerechnet, oder sogar mit Grün - aber nicht mit diesem hellen Braungold.

PLATSCH! Die Eiskugel war aus der Tüte gerutscht und an seiner Hose entlang nach unten ins Gras geglitten. "Verdammt!" schimpfte Jan. Er stellte das Rad ab und versuchte, seine Verlegenheit zu überspielen, indem er hektisch an seiner Jeans herumrieb. Das Ergebnis waren zehn klebrige Finger und eine versaute Hose.
Melissa hatte inzwischen die Hand schützend an ihre Augenbrauen gelegt, um besser sehen zu können. Breit grinsend sah sie Jans Aktivitäten zu. Endlich erlöste sie ihn: "Ey, lass mal. Setz dich her. Ich hab Wasser hier und Papiertaschentücher. Das kriegen wir schon wieder hin!".

Jan befolgte ihren Rat sofort. Sie holte die Flasche wieder aus der Tasche, dazu Papiertücher, und beide begannen mit der Rettungsaktion - Jan wusch sich die Hände und Melissa goss großzügig Wasser über den langen Fleck auf der Hose, bevor sie anfing, den Stoff weiter zu bearbeiten. Das kühle Nass an seinem Bein, der Stoff, der auf seiner Haut klebte, Melissas eifrig reibende Hand - machte Jan irgendwie komplett nervös. Dazu kam, dass ihm bewusst wurde, dass er pinkeln musste - und kaltes Wasser, welches an seinem Bein entlang rann, machte es nicht besser. Das Stechen in seiner Blase wurde von Minute zu Minute heftiger. Zu seinem Entsetzen registrierte er, dass es auch noch enger in der Jeans wurde. Hoffentlich bemerkte sie das jetzt nicht! Sie musste ihn ja für einen Triebtäter halten...

Doch Melissa war viel zu beschäftigt mit der Fleckentfernung. "Schöne Beine hat er" dachte sie dabei. Das tägliche Tanztraining hatte für Muskeln gesorgt, die sich unter dem Stoff abzeichneten. Aus den Augenwinkeln hatte Melissa ihn näher betrachtet. Netter Kerl, ja. So ein offenes Gesicht. Seine Verlegenheit war nicht zu übersehen. Am liebsten hätte sie noch länger mit ihm auf der Bank verbracht, aber es war abzusehen, dass dies bald ein Ende haben musste: Melissa war ja den ganzen Tag Rad gefahren, ohne Pause - und ohne ein einziges Mal auf die Toilette zu gehen. Jetzt, nach dem Aufwachen, war es soweit. Sie musste mal, und zwar massiv. Nicht weiter schlimm - sie hatte eh schnell zum U-Bahnhof Jungfernstieg fahren wollen - dort gab es öffentliche Toiletten. Nicht toll, aber besser als nichts. Nur - wie sollte sie ihm das jetzt sagen?

Jan hatte ganz genau das gleiche Problem. Dieses Mädel war wirklich der Hammer. Auf keinen Fall wollte er einfach wieder verschwinden, obwohl ihn alles dahin trieb, einfach mit dem Rad 300 Meter weiter bis zu den Anlagen zu fahren und dort endlich hinter ein Gebüsch zu springen, um sich Erleichterung zu verschaffen. Es half nichts. "Du? Danke schön. Ich möchte am liebsten hier sitzen bleiben und noch mit dir reden - aber ich müsste mal schnell wohin..." Knallrot war Jan geworden. Melissa lachte auf: "Ich auch! Ich wollte sowieso zum Jungerfernstieg radeln, da sind ja Klos. Kommst du mit?" SO schnell war Jan lange nicht aufgesprungen. Beide packten rasch zusammen, schwangen sich auf die Räder und traten in die Pedalen, was das Zeug hielt.

Nun sollte man am Alsterufer nicht schnell Rad fahren. Tausende von Spaziergängern bevölkerten diesen wunderschönen Platz in der Mitte der Stadt - und viele davon ignorieren einfach die rotgepflasterten Radwege - spazieren ignorant und stumpf genau da lang, ohne sich um die Radler zu kümmern, die jedes Mal bremsen oder absteigen müssen.
Auf der Höhe des amerikanischen Konsulates passierte es dann auch: Melissa musste einer Frau ausweichen, die dreist und ohne sich um die herankommenden Radfahrer zu kümmern, ihren Kinderwagen auf den Radweg schob. Die Vollbremsung warf Melissa vom Rad, dieses kippte um, und die Kette sprang runter. Jan hielt auch an und beide besahen sich den Schaden. Die dumme Kuh mit dem Kinderwagen tat, als hätte sie nichts bemerkt und ging einfach weiter.

Dafür blieb ein kleiner Junge stehen, besah sich Jans Jeans und krähte, mit dem Finger zeigend: "Guck mal, der hat sich in die Hose gemacht!" OK, die Reinigungsaktion hatte genau diesen Eindruck enstehen lassen: Jans Hosenbein war vom Schritt bis zur Wade nass. Der Junge wurde von seiner pikierten Mutter weitergezogen. Jan dachte: "Der macht sich gleich wirklich in die Hose, wenn das hier so weitergeht".

Mit seiner Beherrschung stand es nicht zum Besten. Auch Melissa konnte ihren Drang kaum noch bezähmen. Verzagt stand sie vor ihrem Rad, die Beine gekreuzt. "Was machen wir denn jetzt?" jammerte sie. "Zu Fuß schaff ich das nicht mehr, das ist viel zu weit! Die Kette krieg ich auch nicht drauf, ohne Werkzeug. Und hier kann man ja nicht einfach mal so...." Das stimmte nun allerdings. Jan ließ seinen Blick schweifen, zum Seeufer hinunter. Da kam ihm eine Idee. "Hey, wir spazieren jetzt da runter, stellen die Räder am Ufer ab und gehen kurz ins Wasser. Nass sind wir dann ja sowieso, das merkt schon keiner - und wenn, dann haben wir eben nur ne Abkühlung in der Alster gebraucht, was meinst du?" Melissa konnte nicht mehr klar denken, so dringend musste sie pissen. Eben war ihr sogar schon etwas in den Slip gegangen, wenig zwar, man sah es nicht, aber sie wusste, dass sie keine drei Minuten mehr anhalten konnte. "JAHAAA!" keuchte sie und beide liefen los, die Räder neben sich über das Gras schiebend. Am Ufer warfen s
ie ihre Drahtesel einfach hin, an Abschließen war nicht mehr zu denken, kaum dass sie schnell noch die Schuhe ausziehen konnten.

Der Weg ins Wasser war länger als gedacht - man musste erst noch um einen Schutzzaun herum, der das Schilf vor Vandalen bewahren sollte. Jan stolperte vorneweg. Als seine nackten Füße das kalte Wasser berührten, war es vorbei. Er blieb einfach stehen und pinkelte los. Während die Wärme seine Beine entlang strömte, drehte er sich zu Melissa um. Holla, was war denn das? Melissa sah ihn mit offenem Mund an. Sie stand zwei Meter hinter ihm, auch ihre Füße im Wasser. Eine Hand hatte sie zwischen ihre Schenkel geschoben - und sie pisste! Jan sah es in ihrem Schritt glitzern, sah wie es dunkel wurde, ihre helle Sommerjeans färbte sich rasch ein, in rasender Geschwindigkeit breiteten sich Bahnen an den Innenseiten ihrer Oberschenkel nach unten hin aus. Jan fühlte gleichzeitig mit seiner Erleichterung eine Welle von Geilheit in sich hochsteigen. Er hatte keine Ahnung gehabt, wie furchtbar ihr Druck gewesen sein musste - nun sah er es. Sah, wie endlos sie pinkelte, wie viel es gewesen war.

Warum machte ihn das so an? Keine Ahnung. Er reichte ihr eine Hand. "Komm ins Wasser, Schönheit, lass uns schwimmen..." Melissa gab ihm die trockene Hand und ließ sich von ihm ins Tiefe führen. Sie schwammen beide etwas, stumm, mit roten Köpfen. Jan hoffte, dass das kalte Wasser der Alster seinen Steifen etwas beruhigen würde. Er hoffte vergebens. Sein Schwanz stand wie eine Eins, es kniff ganz schön in der Hose. Was war denn bloß los mit ihm?

Nach zehn Minuten schwamm er zu ihr, lachte sie an und begann, sie mit Wasser zu bespritzen. "Du? Wie heißt du eigentlich?" fragte er. "Melissa" lachte sie. Ihre Prachtmähne war jetzt ganz nass, die Locken ringelten sich an ihren Wangen. Wie schön sie war, wie wunderschön. "Ich heiß Jan" meinte er, fasste all seinen Mut und kam ihr ganz nahe. Sein Gesicht war direkt vor ihrem, er wagte es und umarmte sie sehr vorsichtig an der Taille. Gut, dass beide Grund unter den Füßen hatten. "Ey Jan, nicht so schnell..." lächelte sie. "Lass uns wieder raus gehen. Wir können uns ja in die Sonne legen und uns trocknen lassen, ja? Dann kannst du mir was erzählen, okay? Wer du bist und so. Vielleicht erzähl ich dir ja auch was von mir..."

Und so machten sie es.



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