Perlmutt


Karneval, oh Gott. Chrissie hatte nie was am Hut damit gehabt, und nun war sie eingeladen, mit ein paar Freunden nach Köln zu fahren.
"Das muss man mal gesehen haben, Chrissie!" lockte man sie. "Okay, aber ich mach den Scheiß da nicht mit - ich guck mir das an und gut!" trotzte sie zurück. Marvin grinste nur.

In Köln angekommen, begaben sie sich in die Wohnung eines Freundes, wo sie auch übernachten wollten. Ines und Marvin verschwanden gleich aufs Gästezimmer um sich umzuziehen. Chrissie stand unschlüssig in ihrer kleinen Kammer mit dem Feldbett und überlegte. Die anderen wollten in der Eiseskälte unbedingt raus. Chrissie hatte auf der Fahrt durch Köln schon die unglaublichen Menschenmassen gesehen, fast alle verkleidet. In Gruppen schoben sie durch die Straßen, laut singend und ganz sicher nicht mehr nüchtern. Na, DARAUF hatte sie ja Bock... Sie seufzte. Ines klopfte an die Tür. "Was ziehst du an? Als was gehst du?" fragte sie neugierig und öffnete. "Chrissie! Du bist ja noch gar nicht umgezogen! Also: als was gehst du?" Chrissie guckte genervt. "Na, als was wohl? Ich dachte, als Hamburgerin. Dann kann ich einfach so bleiben..." Aber Ines protestierte. "Kommt ja gar nicht in Frage! Das hier ist Köln! Michaela hat ganz viele Sachen hier, wir finden schon was für dich!"
Mit diesen Worten zog sie die widerstrebende Chrissie hinter sich her in Michaelas Zimmer, die immerhin mit ihrem Freund Klaus in der Wohnung lebte.

Nach kurzem Wühlen hatten Michaela und Ines ein paar Sachen und verkündeten strahlend: "Das hier müsste gehen! Musst nur was Warmes unterziehen und Du bist perfekt. Los, ab in dein Zimmer, wir holen dich in ner Viertelstunde ab!" Chrissie bekam einen Haufen Klamotten in die Arme gedrückt und wurde kurzerhand auf den Flur geschoben.

In ihrem Zimmer sortierte sie aus. Auweia. Biene Maja. Na gut. Sie wollte nicht die Spielverderberin geben und als Spaßbremse war sie ja eigentlich auch nicht unterwegs. Okay...

Chrissie zog sich bis ihren Baumwollslip aus und kleidete sich neu ein. Zuerst kam die hellgraue Leggins. Ganz feiner Stoff, leicht glitzernd, wenn das Licht drauf schien. Sah aber warm aus. Trotzdem würde das gegen die Kälte nicht reichen. Sie zog ihren schwarzen Body mit den langen Ärmeln aus der Reisetasche, hakte den Verschluss im Schritt ein und zog ihn über die Leggins. Jetzt noch das Trikotkleid drüber... MIST! Dieses Kleidchen war aus feinem T-Shirt-Stoff und gelb-schwarz gestreift. Breite Streifen. Quer. Blöderweise hatte es einen tiefen Ausschnitt, genau wie der Body. Chrissie war also vom Hals bis zum Brustbein nackt. Das ging ja gar nicht. Also: alles wieder ausziehen. Nach kurzem Überlegen hatte sie es: sie zog den Body wieder an - aber diesmal verkehrt herum. Das würde unter dem Kleid eh nicht auffallen und nun war sie wenigstens flächendeckend mit Stoff umhüllt.
Schwarzer breiter Lackledergürtel, schön eng und zum Schluss dieses alberne Dingens mit den Fühlern ins Haar gesteckt - das könnte gehen. Schwarze warme Jacke hatte sie. Nun noch etwas Make - Up. Ines klopfte schon ungeduldig. "Bist du jetzt endlich fertig?"

Als Chrissie rauskam, nickte ihre Freundin anerkennend. "Japp. Das sieht gut aus! Können wir denn los?" Chrissie ergab sich in ihr Schicksal und zehn Minuten später waren sie mitten im Trubel des Kölner Rosenmontags.

Zunächst standen sie "am Zoch" und ließen sich mit Süßigkeiten bewerfen. Später zogen sie durch die Altstadt, von Kneipe zu Kneipe. Die anderen tranken Kölsch in Strömen. Chrissie probierte dieses Kölner Bier, verzog das Gesicht und meinte "Katzenpisse..." Sie blieb lieber bei Guinness. Das gab es quasi überall, sie kannte es, es schmeckte ihr und: es war wenigstens kein Alt. DAS dürfte sie keinesfalls bestellen, hatte man ihr eingeschärft, Katzenpisse hin oder her.

Chrissie konnte im Nachhinein nicht mehr sagen, wann sie die anderen aus den Augen verloren hatte. Irgendwann war es passiert. Sie suchte, rannte mal hierhin, mal dorthin, aber ihre Meute blieb verschwunden. Ihr Handy hatte sie nicht mit - das sei nicht ratsam, hatte man gemeint. Und nun? Sie hatte ihr Geld im Brustbeutel, das war nicht das Problem. Aber sie wusste die Anschrift von ihren Gastgebern nicht, auch nicht ihre Nachnamen. Dummerweise hatte man keinen Treffpunkt vereinbart, weil man so überstürzt aufgebrochen war. Chrissie wurde nervös. Um sie herum brodelte der Kölner Karnevalswahnsinn - und zu allem Unglück machten sich die diversen Pints Guinness unangenehm in ihrer Blase bemerkbar.

Chrissie stolperte durch die Straßen. An den Eckkneipen standen die Leute bis zur Straße raus. "Wo kann man denn hier bloß pinkeln gehen" dachte sie verzweifelt. Zwei Querstraßen weiter musste sie so sehr, dass sie beschloss, einfach in einen Hinterhof zu huschen und sich dort schnell hinzuhocken. Gedacht, getan.
Der Torweg war wenig anheimelnd, egal. Die Kälte hatte Chrissies Pinkeldrang so groß werden lassen, dass sie kaum noch klar denken konnte. Sie trippelte in den Hof. Kein Baum, kein Strauch, die Mülltonnen standen an der Hausmauer. Chrissie biss sich auf die Unterlippe und zog ein Bein hoch. Eine Drangwelle ließ sie erschauern. Laute Musik erscholl von einem Balkon im zweiten Stock. Dort stieg wohl eine Party. Ein paar Leute standen draußen und rauchten. Die hatten sie bestimmt schon gesehen. In ihrer Not lief Chrissie auf die Hauswand zu, die zu dem Balkon gehörte und suchte Sichtschutz unter dem Vorbau. Hoffentlich sah niemand aus dem Fenster! Egal, jetzt musste es sein, sie konnte einfach nicht mehr. Chrissie keuchte vor lauter Müssen. Schnell griff sie mit den Händen zwischen ihre Schenkel, um die Haken und Ösen des Bodys im Schritt zu lösen.

Nichts!
Fassungslos fühlte Chrissie noch mal hin. Da musste doch aber der Verschluss sein! Endlich fiel es ihr ein: Sie hatte den Body ja verkehrt herum an! Der Verschluss musste sich also weiter hinten befinden. Soweit kam sie von vorn nicht. Sie zog die Hände wieder hervor und kreuzte die Schenkel. Nun versuchte sie es von hinten. DA! Endlich bekam sie den Verschluss zu fassen. Er war zwischen ihre Pobacken gerutscht. Obwohl Chrissie alle Muskeln anspannte, spürte sie, wie es sich Bahn zu brechen drohte. Hektisch fummelte sie mit beiden Händen am Verschluss herum - um festzustellen, dass er sich (wahrscheinlich durch das Gehen) im Stoff der Leggings verhakt hatte! Chrissie zerrte uns riss - es war nichts zu machen. Sie müsste sich also ganz ausziehen, splitternackt, wenn sie sich nicht gleich ins Höschen pieschern wollte. Verzagt sah sie nach oben. Zu allem Unglück waren eine Reihe von Fenstern beleuchtet - und da - genau gegenüber - war ein Schatten zu sehen.
Jemand beobachtete sie!

°°°

Peter hatte mit Karneval keine Verträge. Zu viele Besoffene auf den Straßen. Also war er zu Hause geblieben. Das war auch keine reine Freude, weil im Nachbarhaus im zweiten Stock eine Party stieg und die lieben Mitmenschen die Balkontür weit offen stehen hatten. So kamen alle Anwohner in den Genuss von "Ein Pferd steht im Flur", "Polonaise Blankenese" und ähnlichem Schrott. Genervt war er ans Fenster getreten.

Was war denn das?
Ein Mädel hoppelte in den Hinterhof, sah sich suchend um und lief dann unter den Balkon. Peter sah sofort, was los war. Die musste allerdringendst pissen, das war klar. Kopfschüttelnd betrachtete er sich die Szene. Soweit war es also schon: Sogar Frauen hatten den letzten Rest von Anstand vergessen und pinkelten an jede Häuserecke...
Trotzdem musste er zugeben, dass ihn die Sache irgendwie erregte. Dies hier war etwas anderes, als ein Besoffener, der sich lallend mit einer Hand an einer Mauer abstützte, seinen Schwanz rausholte und es einfach entspannt laufen ließ.
Warum fummelte sie denn mit den Händen zwischen den Beinen rum? Ach ja: Die trug bestimmt einen Body mit Schrittverschluss.
Huch? Etwas lief schief. Sie bekam das Teil wohl nicht auf. Fasziniert sah Peter zu, wie sie die Hände hervorzog und ein Hohlkreuz machte. Was sollte das denn werden? Sie hatte die Schenkel gekreuzt und fuhr mit beiden Händen nach hinten zu ihrem Po. Ganz leise öffnete Peter das Fenster. Bis hierher konnte er ihr Keuchen hören.

Peter spürte ihre Not fast körperlich. Erstaunt bemerkte er, wie sein Schwanz hart wurde. Sie stand nicht völlig im Dunkeln. Das Licht über einer der Türen zum Hof beleuchtete die Szene. Was für ein Anblick! Das Mädel zumpelte an ihrem Body herum, anscheinend ohne jeden Erfolg. Ein leises Winseln erklang. Nun nahm sie die Hände wieder nach vorne, krümmte sich und - JA!

Er sah Perlen, Perlmuttperlen, die hell glitzernd hinten an ihren Schenkeln herabglitten. Die Tropfen wurden vom Material der grauen Leggins abgestoßen und anstatt dunkel in den Stoff einzusickern, rollten sie an seiner Oberfläche abwärts.
Atemlos betrachtete er das Schauspiel. Nun war aus den einzelnen Tropfen ein Strahl geworden, der geräuschvoll auf die Waschbetonplatten niederging. In das Plätschern hinein erklang ihr Stöhnen.

Fast automatisch begann Peter, seinen Harten zu reiben. Ihm war nicht klar, warum ihn die Szene so anmachte, aber er konnte den Blick nicht abwenden.
Als es zu Ende war, richtete sie sich auf, blieb aber stehen. Sie sah zu ihm herüber, ohne Zweifel.

Es gibt Momente, in denen man entweder handeln kann oder man bereut es. Peter spürte so einen Moment. Blitzschnell drehte er sich um, stürzte aus seiner Wohnung, raste die Treppen hinunter und schoss in den Hof. Sie stand immer noch da. Er ging auf sie zu. "Hey! Kann man helfen?" fragte er mit aller Freundlichkeit, die er in seine außer Atem geratene Stimme legen konnte.
Völlig geschlagen stand Chrissie da. Fast weinte sie. "Ja, schon..." kam es kläglich.

°°°

Chrissie hatte vollends aufgeben müssen. Sie hatte noch versucht, anzuhalten, aber ihr war sonnenklar, dass sie nicht mehr konnte. Sie musste so rasend pissen, dass kein Muskelwiderstand, kein Zusammenreißen mehr half. Zu allem Unglück wurde sie auch noch beobachtet. Als ihr der erste Schwall entkam, ein heißes, summendes Strömen, fühlte sie außer Scham nur noch Erleichterung. Sie spürte es kitzelnd an der Hinterseite ihrer Schenkel herabrollen - schließlich wurde aus dem Tröpfeln ein starker, zischender Strahl und sie fühlte urplötzlich eine völlig unerwartete Lust aufsteigen. Mitten in diese Situation hinein ging plötzlich eine Hoftür auf und ein Mann kam auf sie zu.
Oh nein! Hoffentlich nicht der Hausmeister oder so...

"Hey! Kann man helfen?" erklang eine kräftige, leicht atemlose Stimme.
Das war so ungefähr das Optimum all dessen, was man in diesem Moment zu Chrissie hätte sagen können.
"Ja schon..." flüsterte sie.

°°°

Chrissie und Peter sind in dieser Nacht Freunde geworden.

Und der Karneval? Ach ja, der Karneval. Er war wie jedes Jahr. Laut, betrunken und sehr kölsch. Und voller Bedeutung.

:-)



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