Tena Ticket


Chaos war Lenas zweiter Vorname. Seit Wochen wusste sie, dass am 31. Mai The Killers in der Colorline- Arena aufspielen wollten, sogar mit Polarkreis 18 als Vorgruppe - nur das Ticket, das hatte sie zu besorgen vergessen.
Ausgerechnet! "Are we human, are we dancers" war das definitive Lena-.Lied, fand Lena. Sie wollte es live hören, mittanzen, mitsingen. Als Lena auf N-JOY, ihrem Leibsender, das erste Mal hörte: "...und sie kommen tatsächlich in den Norden! The Killers! N-JOY präsentiert die Kultgruppe Ende Mai in der Kohl-Ohrlein- Arena..." wäre sie fast hochgesprungen. OK, sie kriegte jedes Mal ne Krise, wenn die Moderatoren das Wort Colorline "Kohl-Ohrlein" aussprachen. Angeblich bestand die norwegische Firma auf dieser Form der Aussprache, aber Lena sträubten sich regelmäßig die Nackenhaare bei jedem Kohl-Ohr.

Egal. Die Arena war fast neu, wunderschön, prima ausgestattet - darauf kam es an. Nur blöd, dass sie kein Ticket hatte.
Aber Lena wäre nicht Lena, wenn sie aufgegeben hätte. Auf N-JOY wurden traditionell Karten verlost. Lena war klar, dass sie keine Chance hätte, regulär an diese Exklusiv-Karten zu kommen, die auch VIP-Lounge und Backstage Pass beinhalteten - aber sie kannte einen Musik-Moderatoren von N-JOY, dessen Namen wir hier ausdrücklich verschweigen müssen.
Den rief sie an und bettelte in Kleinmädchen-Manier so lange, bis er mürbe war. "Lena, ich kann dir selbstredend keine Karte so einfach abzweigen. Ist klar, nicht? Aber ich könnte... Mooooment mal, okay ich könnte aus dem Kontingent der Kollegen-Karten ...ach, das geht auch nicht. Lena, ich lass mir was einfallen, okay?" Zwei Stunden später rief er an: Übermorgen musst du Punkt 14 Uhr im Hof des Senders sein. Am Besten, du kommst schon um 13 Uhr, es wird ne Riesenschlange geben. Stell dich da an. Die ersten 20 Leute in der Schlange bekommen garantiert ein Ticket. Die genaue Anzahl weiß ich nicht. Die Wartezeit auch nicht. Richte dich auf länger ein." Lena zerschmolz fast vor Dankbarkeit.

Ihre anfängliche Euphorie legte sich allerdings etwas am nächsten Tag. Sicher war das mit den Karten ja nun nicht. Sie würde schon um 11 Uhr dort sein. Nichts wäre schlimmer, als diese letzte Chance auch noch zu vergeigen. Dann stände sie beim Moderator in der Schuld und hätte noch nicht einmal etwas davon.
Nur Eines machte ihr Sorgen. Lena hatte eine, wie nennen wir es mal, gut, sagen wir heikle Blase. Schwach wäre der falsche Ausdruck. Sie hatte einfach sehr fleißige Nieren und trank zudem auch recht viel über den Tag, so dass sie alle zwei Stunden spätestens zur Toilette musste. Dort plätscherte sie nicht etwa damenhaft vor sich hin - oh nein. Lenas scharfer Strahl kam jedes Mal druckvoll und so mächtig, dass sie beim Pissen zuweilen leise stöhnte vor Erleichterung und Wonne.

Eine Stunde würde sie zum Sender brauchen. Also: Um 10 noch mal zum Klo, dann um 11 anstehen, 13 Uhr war Öffnung, 14 Uhr kam sie wahrscheinlich dran. Bis dahin hätte sie zwei Mal mindestens gehen müssen. Hm. Selbst wenn sie kurz vorm Sender noch mal in einem Café ginge, war das mindestens eine Stunde zu lange. Lena kannte sich aus. Eine Ticketschlange bei so einem Konzert verlässt man nicht. Niemand würde sie mehr auf ihren alten Platz zurückkehren lassen. So etwas war die typische Situation für Stahlblasen mit hydraulisch verschließbaren Harnröhren. Mist. Gut, sie könnte auf Tee und Kaffee verzichten und stattdessen gar nichts trinken. Mit Glück würde ihr das eine weitere Stunde Ruhe bescheren. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.

Immer noch grübelnd schaltete sie den Fernseher ein. Es lief Comedy. Normalerweise nicht so Lenas Ding, aber Mirja Boes lohnt sich ja immer. Lena entspannte sich auf dem Sofa und wenig später kam die Lösung - direkt vom Bildschirm.
Die Boes stemmte die Hände in die Hüften und schwadronierte kennerisch: "Männer! Schick mal einen Mann in den Supermarkt und sag ihm vorher, was er holen soll. "Schnuckel, bring mal Obst mit, Milch und eine Packung Binden, die mit den Flügelchen!" Mit was kommt er wieder? HA! Ein Pfund Zwiebelmett, drei Kästen Bier und TENA LADY SUPERSTARK! Jungs! Das sind keine Binden mit Flügelchen'! Das sind die Großen!"
Jetzt bog die Boes ihre Oberschenkel auseinander und stakste leicht gebeugt über die Bühne, geradeso, als hätte sie eine Literflasche Wasser zwischen den Beinen in der Jeans geparkt. Das Publikum schrie vor Lachen.
Nun stand sie wieder normal und zwinkerte verschwörerisch. "Obwohl, im Karneval in der brechend vollen Kneipe am Tresen nicht zu unterschätzen..." Sie lehnte sich an eine imaginäre Bar und verkündete mit Unschuldsmiene: "Nö, ich muss nicht, echt nicht..." Kreischende Zuschauer.
Den Sketch beendete die Boes dann mit der Bemerkung: "Aber irgendwann ist das auch keine Option mehr. Das wissen wir doch alle noch aus der Kindheit von den Wollstrumpfhosen - erst ist es warm und nass, dann kalt und nass und dann fängt es an zu jucken..." Das Publikum raste.

Das war es! Ja klar! Lena wusste sofort, was zu tun war. Nichts trinken, im Café noch mal strullen gehen und - vorher Tena Lady Superstark kaufen! Das gab ihr sofort Sicherheit.

Gedacht, getan.
Der Kartentag war da und Lena stand Punkt 11 Uhr als zehnte in der Schlange mit völlig leerer Blase, ziemlichem Durst und einem total ungewohnten Gefühl im Slip auf dem Hinterhof des Senders. Die Binde war wirklich riesig. "Kurz vor Kinderwindel" dachte Lena und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Sie hatte den kurzen karierten Tweedmantel übergezogen, weil die Binde so in der Jeans auftrug, dass man es ohne den Mantel sofort gesehen hätte.
Zu allem Überfluss war es ein sehr heißer Maitag in Hamburg. Der Schweiß stand Lena auf der Stirn. Aber außer dem Mantel hatte sie keine Jacke im Schrank, die lang genug gewesen wäre.

Das Warten nervte. Lena sah sich die anderen in der Schlange an. Alles Kerle. Der vor ihr schien nett, die anderen, nun ja. Inzwischen bereute sie innig, sich nichts zu trinken mitgenommen zu haben. Ihre Lippen fühlten sich staubtrocken an und sie spürte, wie jeder Atemzug ihre Mundhöhle weiter ausdörrte. Sie sah auf die Uhr. Halb 12, nun gut. Der Typ vor ihr holte eine volle 1,5l Flasche Wasser aus seinem Rucksack und trank in großen Zügen. Lena verfolgte jede seiner Schluckbewegungen minutiös. Er setzte die Flasche ab und hielt sie ihr hin. "Trink mal was, du hast schon ganz aufgesprungene Lippen." Wortlos nickte sie, ergriff die Flasche und trank. Und trank. Und trank. Herrliches Gefühl, wie das Wasser ihren Mund ausfüllte, ihre Kehle hinab rann... Lena kam sich vor, wie eine fast verwelkte Blume, die endlich mal gegossen wird. Als sie absetzte, hatte sie die Flasche fast leer gemacht. Bestürzt sah sie den Mann an, der ihr zu trinken gegeben hatte. "Oh sorry!"
Der grinste nur und meinte: "Lass mal. Ich hab noch zwei im Rucksack. Ich bin Jörn und wie heißt du?" Lena lächelte "Lena. Absoluter Killer-Fan und zu verpeilt gewesen, mir rechtzeitig ne Karte zu holen." Jörn nickte. Na, bei mir war es ein Studienseminar in Amiland. Hatte überhaupt nicht mitgeschnitten, dass die Killers hier auftreten. Bin erst seit ner Woche wieder in der Stadt. Wenn ich nicht diesen Praktikantenjob beim Sender hätte, sähe es aber zappenduster für mich aus, tickettechnisch. Und in welcher Abteilung des Ladens wirst DU ausgebeutet?" Lena konnte vor Schreck nicht antworten. Jörn sah sie weiter freundlich abwartend an. "Ich, öh, also eigentlich arbeite ich nicht direkt bei N-JOY, also um genau zu sein, studiere ich Mediengestaltung..." Jörn fragte nicht nach.
Sie fingen an, sich über Lieder zu unterhalten, vorzugsweise von den Killers, aber auch von Adele, Jim Morrison und dessen Stimmähnlichkeit mit John Legend - die Zeit verging auf einmal schnell.

Als Lena wieder auf die Uhr sah, war es halb zwei. Sie hatte inzwischen erwartungsgemäß einen soliden Druck auf der Blase. Ergebnis ihrer Trinkorgie von vorhin. Gemeinerweise waren auch von Zeit zu Zeit mal Kerle ungeniert an eine Hofecke pinkeln gegangen, ihren Platz in der Schlange durch eine Jacke oder einen Rucksack besetzt habend. So langsam wurde Lena nervös. Sicher konnte sie Jörn fragen, wo denn im Sender die Toiletten waren, aber sie würde ohne Ausweis nicht an dem Lesegerät am Tor vorbeikommen, und selbst wenn Jörn ihr seinen Ausweis leihen würde, nützte das nichts. Am Tor saß ein Pförtner, der eine zusätzliche Kontrolle durchführte und Lena sah nun einmal nicht aus wie Jörn.

Und überhaupt - Lena gehörte zur schüchternen Sorte Mädchen. Eine Sorte, die es in Hamburg häufiger gibt, als man im Rest der Republik meint.
So weit, dass Jörn merken durfte, dass sie mal musste, war es nicht. Noch konnte sie durchhalten. Glücklicherweise warf eine Häuserwand mittlerweile einen Schatten auf die imposant lange Schlange. Niemand stand mehr in der prallen Sonne.
Lena bemühte sich, nicht herumzuzappeln. Sie stand gerade, mit unauffällig zusammengepressten Schenkeln und registrierte besorgt, dass ihre Beherrschung schwand. Sie hatte zwar diese Superbinde im Slip - aber Lena traute sich einfach nicht, etwas Druck abzulassen. Immerhin stand sie in einer Menschenmenge und unterhielt sich gerade mit Jörn. Könnte sie rechtzeitig wieder anhalten? Wie viel Flüssigkeit nehmen solche Teile eigentlich auf? Was wäre, wenn sie die Kapazität der Tena überschätze und sich die Jeans nass machen würde? Würde sie das überhaupt merken und schlimmer: würden es andere merken? Lena schwitzte vor Angst und fror vor lauter Drang.

"Ich geh mal kurz" meinte Jörn in ihr Grübeln hinein und spazierte gleichmütig in die Pissecke. Lena hatte Männer nie beneidet, um was auch. Aber heute tat sie es inbrünstig. Sie nutzte Jörns kurze Abwesenheit, um die Schleusen ein wenig zu lockern. HOLLA! Ein gewaltiger heißer Schwall ergoss sich in ihren Slip. Lena sog scharf die Luft ein, so anstrengend war es, nicht weiterzupissen. Sie erlangte die Kontrolle zurück, gerade rechtzeitig, bevor Jörn zurückkehrte. Der Druck schien etwas gemildert, Lena hoffte, dass dies eine Weile so bleiben möge.

Doch die Hoffnung trog.
Ihre Blase war nach einer Viertelstunde wieder prall voll. Das Gespräch mit Jörn verlief schleppender, weil sie sich so konzentrieren musste. Immer noch stand sie starr in der Schlange. Sie presste ihre Arme gegen den Körper, kniff die Pobacken zusammen und versuchte, ihren Blasenschließmuskel fest geschlossen zu halten. Vor ihrem inneren Auge sah sie einen dünnwandigen Ballon, kurz vorm Bersten. Lena hatte das Gefühl, ihr gesamter Unterbauch wäre nur von ihrer drückenden, klopfenden und ziehenden Blase erfüllt.

Während Jörn anfing, über sein Lieblingsthema (The Killers und ihre Anfänge) zu referieren, spürte Lena schließlich, wie sich ganz langsam, Tropfen für Tropfen, der Inhalt ihrer Blase nach außen arbeitete. Sie konnte förmlich fühlen, wie sich die Flüssigkeit durch die verzweifelt zusammengekniffene Öffnung presste. Es sickerte unaufhörlich in die Binde, immer weiter, nicht zu stoppen.
Glücklicherweise bemerkte Jörn nichts davon. Wie so einige Männer war er froh, über ein Thema reden zu können, in dem er sich auskannte - und wurde immer weitschweifiger.

Lenas Augen fixierten flehend die rote Metalltür, aus der Ticket-Toni ja irgendwann mal herauskommen musste. Immerhin war es fast zwei Uhr. Endlich ging die Tür auf. Ein Mensch in kariertem Hemd kam mit einem Bündel Karten heraus. Er trat an die Laderampe und verkündete: "OK Leuz, hier sind die unverlosten Karten von N-JOY. Ihr seid als Mitarbeiter und geschätzte Kollegen die Auserwählten..."
"Schwing keine Volksreden" dachte Lena. "Ich strull mir gerade in die Hose..."
Alles geht zu Ende, auch das Geschwafel eines Menschen, bei dem es zum echten Moderator nicht gereicht hat und dies vor hilflosen Bittstellern kompensiert. Die ersten Wartenden bekamen ihre Karten. Gerechterweise jeder wirklich nur eine. "Wer sich hier nicht angestellt hat, kriegt auch nix!" schnauzte der Karierte einem sich beschwerenden Mann entgegen. Also hatte Lena wenigstens nicht vergebens gewartet. Und gratis waren die Karten auch noch!

Schrittchen für Schrittchen ging es nach vorn.
Bei jedem Step entkam Lena ein kleiner Schwall. Die Tena lag wie eine schwere, warme Kompresse in Lenas Jeans. Lena musste so dringend strullen, dass sie fast wie von selbst innerlich anfing, Reime zu summen. "Lena mit der Tena, Lena mit der Tena, ich muss so doll, ich piss mich voll, dideldi, dideldum,..." Jetzt war Jörn dran. Er schnappte sich seine Karte, drehte sich zu Lena um und meinte "Na denn mal tschüß. War nett, Dich getroffen zu haben. Vielleicht sieht man sich ja aufm Konzert?" Lena nickte und Jörn ging. Jetzt war sie an der Reihe. Als die Karte endlich in ihrer Manteltasche lag, wusste sie, dass es nicht mehr zu schaffen war, was auch immer. Sie drehte sich auf dem Absatz um, und ging mit großen Schritten vom Hof. Die ganze Zeit schoss es ungebremst und heiß aus ihr heraus. Im Hoftor spürte sie es: die Innenseiten ihrer Schenkel wurden warm. Warm und feucht. Im Toreingang war eine Seitentür, die in einen Gartenweg führte. Lena stürzte dort hinein, lehnte sich an eine Mauer und ließ es kommen.
Ganz bewusst ließ sie los und - genoss es ungeheuer. Wie herrlich, dieses Gefühl der Leichtigkeit. Der unendlichen Erleichterung. Alle ihre Muskeln schienen sich zeitgleich zu entspannen. Sie hörte sich ganz leise stöhnen..."Oooohhh...."
Jetzt fühlte sie, wie es ihre Socken erreichte, in ihre Schuhe lief, es machte ihr erstaunlicherweise überhaupt nichts aus. Die schüchterne Lena strullte hingebungsvoll, bis kein einziges Tröpfchen mehr in ihrer Blase war.

"Ach, da bist du!" Jörn stand vor ihr. "Wenn wir uns treffen wollen, müssen wir uns doch erreichen können. Hier ist meine Handynummer, wenn du magst." Er reichte ihr eine kleine Visitenkarte. Lena nahm sie und steckte sie ein. "Na dann mal tschüß die Zweite" grinste Jörn und verschwand.

Ob er etwas gemerkt hatte?
Und wenn.
Lena ging langsam durch den Frühling nach Hause. Mitten am Tag, mit nasser Jeans, sehr entspannt, ein wenig nachdenklich und ziemlich fröhlich.

:-)



Copyright for all contents: feuercaro (Author)

Alle Inhalte dieser Seite sind urheberrechtlich geschützt.
Unerlaubtes Kopieren und Vervielfältigen werden strafrechtlich verfolgt!